Pannen beim „Bau in Germany“

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Termine werden nicht eingehalten, die Kosten explodieren und dann gibts auch noch Pfusch: Auf vielen deutschen Großbaustellen geht einiges schief. Sind die Deutschen nicht mehr so sorgfältig und gründlich wie ihr Ruf?

Die Deutschen sind fleißig, pünktlich und arbeitsam. Was sie anpacken, das funktioniert auch. So zumindest der Ruf. Gerecht werden können sie dem nicht immer. Viele Großprojekte zeigen, dass es auch hier nicht immer vorbildlich zugeht: Es gibt zeitliche Verzögerungen, Sprengung des finanziellen Planungsrahmens bis hin zu Pfusch, Betrug und Korruption. Beispiel Berliner Hauptbahnhof: Er sollte eigentlich nur 300 Millionen Euro kosten – daraus wurden am Ende 1,2 Milliarden Euro. Oder der neue Berliner Flughafen: Die Fertigstellung verschiebt sich um mehr als ein Jahr und auch die Kosten sind erheblich gestiegen. Kann in der deutschen Baubranche nicht gerechnet werden?

Daran liegt es nicht, meint Peter Tzeschlock, Vorstand bei der internationalen Bauberatungsfirma Drees und Sommer. Ein wesentlicher Grund für Pannen am Bau sei, dass seit einigen Jahren nicht mehr Generalunternehmer, die alles koordinieren, beauftragt werden, sondern viele kleine Einzelunternehmen. Das könnten bei großen Projekten schnell hunderte sein. Dadurch stehe aber der Bauherr vor einer großen Herausforderung, weil er nun selber alle Schnittstellen zwischen den Unternehmen koordinieren müsse, so Tzeschlock.

„Wenn der Auftraggeber das im Griff hat, hat er Kostenoptimierungspotentiale von 20 bis 30 Prozent.“ Bei Großprojekten mit einem Investitionsvolumen von ein paar hundert Millionen Euro seien das dann gigantische Summen. „Das Risiko ist aber, dass der Auftraggeber deutlich mehr Verantwortung hat. Bei allen Großprojekten, die nicht gut laufen, die also Termin- oder Kostendruck haben, sehen wir immer das Gleiche, dass dort nämlich genau diese Schnittstellen nicht beherrscht worden sind.“

(Bei der Hamburger Elbphilharmonie kam es schon vor Baubeginn zu Prozessen um die Ausschreibung. Die Arbeiten ruhten seit November 2011, weil die Stadt und der Bauunternehmer sich über die Sicherheit des Daches stritten)

Nachträgliche Änderungen sind Gang und Gebe

Neben solchen organisatorischen Gründen führen immer wieder Änderungswünsche des Bauherren, die während der Bauphase kommen, dazu, dass die Kosten den geplanten Rahmen sprengen, sagt Volker Cornelius, Präsident des Verbandes der Beratenden Ingenieure. Solche Änderungen kosten nicht nur Zeit, der Bauherr müsse zudem manchmal mehr bezahlen als nötig. „Da stellt man dann fest, dass die Baufirmen, die vorher im Wettbewerb den Auftrag bekommen haben, kreativ sind und sich alles Mögliche einfallen lassen, um mit ihrem Nachtragmanagement die Kosten, die in der Kalkulation zu niedrig angegeben wurden, auf dem Rückweg wieder reinzuholen“, so Cornelius.

„Nicht die richtigen Kosten angegeben…“

Dass die Unternehmen am Anfang sehr niedrig kalkulieren, liegt daran, dass Aufträge in der Regel ausgeschrieben werden. Öffentliche Bauherren müssen zwar das ‚wirtschaftlichste Angebot‘ auswählen. Oft fällt aber die Entscheidung für das billigste Angebot, meint Cornelius. Denn sonst müssten die Zuständigen in den Behörden lange Begründungen abgeben, warum sie ein teureres Angebot bevorzugt haben. Um den Auftrag in diesem Bieterwettbewerb zu bekommen, würden die Unternehmen teilweise bewusst ihre Kosten zu niedrig ansetzen, sagt Franz-Josef Schlapka. Der baubetriebliche Berater lehrt an der Hochschule Neubrandenburg Bauabwicklung, Projektmanagement und Baubetrieb. „Würde man oft die richtigen Kosten angeben, würde das Projekt möglicherweise verworfen werden. Und derjenige, der ein Interesse daran hat, dass das Projekt gebaut wird, der wird sich hinsichtlich der tatsächlich ihm bekannten Kosten bedeckt halten.“

Änderungen treiben aber nicht nur die Kosten in die Höhe, sie beherbergen auch andere Risiken, so Tzeschlok. Denn wenn Terminverschiebungen drohen, würde deutlich mehr geleistet als geplant, um so zu versuchen, trotzdem im alten Terminplan zu bleiben. „Am Ende kommt da dann Pfusch raus. Das heißt, es wird mit aller Gewalt versucht, irgendeinen Termin zu halten, obwohl er eigentlich gar nicht richtig haltbar ist. Und damit wird die Qualität extrem reduziert.“

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(Zwei Tote und ein Millionenschaden: Katastrophale Folgen des U-Bahn-Baus in Köln)

Einfluss aufs Auslandsgeschäft

In manchen Fällen taucht allerdings nicht nur Pfusch auf, sondern kriminelle Machenschaften. So ist das Historische Stadtarchiv in Köln eingestürzt und hat zwei Menschen in den Tod gerissen, weil beim U-Bahn-Bau offenbar falsche Materialien verbaut wurden. Aber trotz solcher schlechten Beispiele, trotz Kostensteigerungen, zeitlichen Verzögerungen und sogar Kriminalität hat die Baubranche im Ausland immer noch einen guten Ruf, sagt Tzeschlock.

Das Image des deutschen Ingenieurwesens, die deutsche Tugend, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit und auch die Transparenz, die Deutsche über die eigene Arbeit schaffen, das seien Dinge, mit denen sein Unternehmen im internationalen Geschäft wuchern würde, so Tzeschlock. „Korruption, die in Deutschland leider vorkommt, findet in Dimensionen statt, die im Ausland kaum wahrgenommen würden, so Tzeschlock. „Wir sind noch nie darauf angesprochen worden, und wir sind viel im Ausland unterwegs!“

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Quellen: pictures alliance/dpa/AP/Deutsche Welle vom 24.06.2012

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