Streit um Strahlen tobt weiter

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Wie schädlich ist der Mobilfunk um uns herum? Experten sind weiter uneins über die mögliche Gesundheitsgefahr. Viele sehen Handlungsbedarf bei Grenzwerten.

Den Mobilfunkbetreibern in Deutschland droht erhebliches Ungemach, sollte sich die Rechtsauffassung des pensionierten Verwaltungsrichters Bernd Irmfried Budzinski aus Freiburg durchsetzen. Der Jurist hält es schlicht für „illegal“, dass die Mobilfunk-gesellschaften mit ihren Sendern in die Privatwohnungen „einstrahlen“. Um Wohnungs-inhaber zur Duldung dieser Einstrahlungen zu zwingen, müsste es ein Gesetz geben, erklärte Budzinski in einer Expertenanhörung des bayerischen Landtags in München aus. Ein solches Gesetz existiere aber nicht.

Mit der Anhörung sollte geklärt werden, ob es inzwischen eindeutige Belege für eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch „nichtionisierende elektromagnetische Strahlung“ gibt und ob der Gesetzgeber handeln müsste. Doch wie schon bei anderen Expertenrunden dieser Art war das Meinungsbild höchst uneinheitlich.

Die mobile Kommunikation sei ein Teil der Ursachen für viele Zivilisationskrankheiten, meinte Ulrich Warnke von der Universität des Saarlandes: „So weiterzumachen ist unmöglich.“ Das Gefühl vieler Menschen, durch Funkstrahlen beeinträchtigt zu sein, lasse sich „nicht objektivieren“, hielt Gunde Ziegelberger vom Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter entgegen.

Inzwischen gibt es in Deutschland 13 Mobilfunknetze, zu denen in absehbarer Zeit noch zwei weitere hinzu kommen sollen. Dazu senden eine Fülle von Mikroanlagen: WLAN-Sender sorgen für kabellose Internetverbindungen, „schnurlose“ DECT-Telefone haben die kabelgebundenen fast schon komplett ersetzt und das Kleinkind wird über funkbe-triebene „Babyphones“ überwacht – alles zusammen etwa 50 Millionen häusliche Sender. Bei der Anhörung im bayerischen Landtag kommunizierten die Teilnehmer über schnurlos miteinander vernetzte Mikrofone.

Dass dieses Gemisch an hochfrequenten elektromagnetischen Feldern Tieren und Menschen schadet, sei unbewiesen, sagte Josef Opitz von der Bundesnetzagentur in Mainz. „Weltweit“ sei sich die Wissenschaft einig, dass es „Hinweise“ auf schädliche Wirkungen gebe, aber „keine Ableitungen, auf die reagiert werden muss“. Und bei gesetzgeberischen Entscheidungen zähle am Ende „die wissenschaftliche Meinung und die muss belastbar sein“.

Der Konstanzer Mediziner Joachim Mutter verwies hingegen auf „unzählige Studien“, die nahe legten, dass das Risiko der mobilen Kommunikation „komplett unterbewertet“ werde. Immerhin waren sich die Experten darin einig, dass die Geräte, die sich die Verbraucher selbst kauften, meistens problematischer seien als die auf Dächern und Masten angebrachten Sender. Und mit den neuen Smartphones erobern Geräte den Markt, die zumindest nicht weniger strahlungsintensiv sind als die weniger smarten Vorgänger.

„Für Handys, schnurlose Telefone und WLAN-Sender gibt es keine Grenzwerte“, sagte Bernd Rainer Müller, Messtechniker aus Lage. Die technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Strahlung solcher Geräte existiere längst, berichtete der Mönchen-gladbacher Baubiologe Martin Virnich. So gebe es an die 100 schnurlose Telefone, die im Ruhezustand nicht sendeten. Auch WLAN-Sender mit automatischer Abschaltung seien bereits auf dem Markt. Die strahlungsarmen Geräte sind aber offenbar nicht gerade Verkaufsrenner. Das gilt vor allem für Handys, von denen derzeit in Deutschland 108 Millionen in Betrieb sind und bei denen sich, so BfS-Mitarbeiterin Ziegelberger, „rein gar nichts tut“. Die Politik sollte da etwas Druck ausüben, empfahl Vornich.

Wenn man nichts Genaues wisse, dann müsse das Vorsorgeprinzip greifen, meinte der bayerische Landtagsabgeordnete Hans Jürgen Fahn (Erlenbach am Main) von den Freien Wählern, die mit den Grünen die Expertenanhörung beantragt hatten. Wenn man noch weitere 20 Jahre auf den endgültigen Nachweis warten wolle, sei es für die Betroffenen zu spät.

Quelle: Südkurier vom 09.07.2012

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