Revolution der Landwirtschaft: Äthiopiens grünes Wunder

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Die Lage schien hoffnungslos: Karger Boden, versiegendes Grundwasser – Dörfer im Norden Äthiopiens sollten umgesiedelt werden. Dann bauten die Bewohner ihre Felder um. Die Methode wird zum Exportschlager.

Erschöpft lässt die junge Frau den Felsbrocken fallen. Krachend landet er auf einem Haufen großer Steine, dem Baumaterial für einen neuen Damm. Arbeiter verputzen die neue Staumauer mit Zement. Dorfvorsteher Gebremichael Berhe ruft Kommandos, mahnt zur Eile. Nur noch zwei Monate bleiben bis zur Regenzeit, dann muss der Bau beendet sein. Das wertvolle Regenwasser soll gespeichert werden.

Berhe – er erinnert mit grauem Bart und Schirmmütze an Fidel Castro – hat geschafft, woran kaum einer geglaubt hatte: Sein Dorf Abraha Aheatsbra im Norden Äthiopiens vor der Austrocknung zu retten. Die Umsiedlung war eigentlich längst geplant.

Der Erfolg weckt Hoffnung für die ganze Gegend. Abholzung und Überweidung hatten Landwirtschaft im kargen Hochlandes Äthiopiens nahezu unmöglich gemacht. Die Bewohner waren abhängig von Nahrungsmittelhilfen. „Es war eine Schande“, sagt Dorfvorsteher Berhe. „Wie lange kann man schon als Bettler leben?“.

1998 sah die Regierung kaum eine andere Möglichkeit, als die rund 5.000 Bewohner seines Dorfes umzusiedeln. Einziger Ausweg war, einem neuen Landnutzungsplan zuzustimmen. Die nötigen Bauarbeiten mussten die Bewohner selbst leisten – mit finanzieller und technischer Unterstützung des äthiopischen Staates und internationaler Entwicklungsorganisationen.

Widerstände der Bauern

„Die Gegend war trocken, sie war sandig, und es gab kaum noch Vegetation“, erinnert sich Mehari Gebremdhin vom äthiopischen Landwirtschaftsministerium in Mekele. „Auf dem Land konnte man praktisch nichts mehr anbauen.“

Alle Dorfbewohner halfen: An den Hängen legten sie Terrassen an und hoben Gräben aus, um die Bodenerosion aufzuhalten und das Regenwasser einsickern zu lassen. Das Grund-wasser sollte sich auffüllen. Sie pflanzten Bäume und Gräser, um den Boden zu stabili-sieren und Futtermittel für die Tiere zu gewinnen. Dämme wurden gebaut und neue Weideregeln vereinbart.

„Anfangs gab es zahlreiche Widerstände. Viele der anderen Bauern konnte ich nur über-zeugen, indem ich selbst mit gutem Beispiel voranging und zum Beispiel meine Rinder einpferchte, statt sie weiter frei grasen zu lassen.“, erinnert sich der Dorfvorsteher.

Die Methoden waren nicht neu, doch in Abraha Aheatsbra bewirkten sie durch ihre konsequente Anwendung geradezu Wunder: Die Erde blieb liegen, anstatt von Wind und Regen fortgespült zu werden. Der Grundwasserspiegel stieg von 15 auf nur drei Meter Tiefe in der Trockenzeit.

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Die Wasserbank

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Nun hat jeder Bauer seinen eigenen Bewässerungsbrunnen – seine eigene „Wasserbank“. Din Begriff hat Berhe geprägt, um klarzumachen, dass Grundwasser so etwas wie ein Konto ist, auf das man einzahlen muss, um später abheben zu können. 2012 wurde er für sein Engagement beim Rio+20-Gipfel mit dem Equator-Prize des Entwicklungs-programms der Vereinten Nationen ausgezeichnet.

Rund 350 vergleichbare Projekte gibt es inzwischen in Äthiopien. Der staatliche Entwicklungsplan sieht vor, in jedem Distrikt der ländlichen Hochlandregionen Tigray, Amhara und Oromia ein bewirtschaftetes Wassereinzugsgebiet zu etablieren. Die um-liegenden Gemeinden sollen davon lernen. Schritt für Schritt soll Ernährungssicherheit im ganzen Land erreicht werden.

„Was mich hier besonders beeindruckt ist, in welch großem Maßstab hier nicht nur ein einzelne Orte, sondern systematisch eine ganze Region neu modelliert wird“, sagt Johannes Schöneberger, der das Programm „Nachhaltige Landbewirtschaftung“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Addis Abeba leitet. Sein Team unterstützt das äthiopische Landwirtschaftsministerium.

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(Künstlicher See: Gräben wurden ausgehoben, Dämme gebaut, das Wasser sollte sich sammeln)

Anbau in der Trockenzeit

In Tigray dauert es in der Regel nur wenige Jahre, um ein erschöpftes Wassereinzugs-gebiet wieder in Stand zu setzen. Nach fünf Jahren wirken die Maßnahmen in der Regel schon so eindrucksvoll, dass die Neuerungen von den Dorfgemeinschaften fortgeführt werden – auch nachdem die internationalen Organisationen sich zurückgezogen haben.

In Abraha Abehatsba bauen die Dorfbewohner heute sogar in den trockenen Monaten des Jahres Mais, Kohl, Tomaten und Mangos an – oft in solchen Mengen, dass sie die Über-schüsse auf dem Markt verkaufen können. Bis zu dreimal im Jahr kann geerntet werden.

„Inzwischen geht es nicht mehr um das nackte Überleben, es geht um etwas Wohlstand: Eine eigene Wasserleitung, Strom im Haus – das ist es, wonach die Leute inzwischen fragen, daran merkt man die Veränderung“, sagt Gebremichael Berhe. „Die Umsiedlung? Ist gar kein Thema mehr.“

Dann muss der Dorfvorsteher los – es sind neue Besucher gekommen, die etwas dazu-lernen wollen über den Kampf gegen Bodenerosion und Dürre. Auch wenn Äthiopien noch zu den ärmsten Ländern der Welt zählt: Das Erfahrungswissen aus Tigray entwickelt sich zum Exportschlager.

Quelle: SpiegelOnline vom 22.07.2013

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