Spanien: Proteststurm der Senioren – „Das ist keine Krise, sondern Betrug“

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Die „Yayoflautas“ („Opaflöten“) kämpfen gegen Sparpolitik, Finanzhilfen für Banken und für die jüngere Generation. Die Arbeitslosigkeit in Spanien beträgt über 26 Prozent.

Sie gehören keineswegs zum alten Eisen: Mit Pfeifen und Tröten bewaffnet stürmen 30 Senioren die Filiale der spanischen Pleite-Großbank Bankia in Madrid. Entrollen ein Transparent, auf dem steht: „Keinen Euro für die Rettung der Banken.“ Die grauhaarigen Bankbesetzer in leuchtend gelben Warnwesten skandieren: „Das ist keine Krise, sondern Betrug.“ Dann verlesen die Pensionisten ein Protestmanifest, in dem sie bekennen, den Kampf für die Zukunft ihrer Kinder nicht aufgeben zu wollen.

Überall im Krisenland Spanien spielen sich derzeit ähnliche Szenen ab: Senioren besetzen Geldinstitute, Behörden, Gesundheitszentren und Büros der Sozialversicherung. Demonstrieren gegen die „brutale Sparpolitik“ der konservativen spanischen Regierung, welche zu Kürzungen bei den Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Pflege, Renten und Familienförderung führt. Die alte Generation des südlichen Schulden-Eurostaates, der auf die Zahlungsunfähigkeit zutreibt, ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt und klettert auf die Barrikaden.

Und das nicht erst, seit vergangenes Wochenende bekannt geworden ist, dass die spanische Regierung in der Finanznot die Pensionskasse geplündert hat. Vielmehr kämpfen die selbst ernannten „Yayoflautas“, also „Opaflöten“, für die Rechte der jungen Generation und gegen die Vormachtstellung der Banken. „Den Bankern wird das Geld in den Hintern geschoben, und die kleinen Leute müssen sehen, wie sie zurechtkommen“, empören sie sich. Die Yayoflautas haben wenig Verständnis für die milliardenschweren Hilfen, mit denen Staat und EU marode spanische Banken vor der Pleite bewahren.

Jede vierte Familie unter Armutsschwelle

Die gleichen Banken, welche nun am Rettungstropf hängen, haben bereits zehntausende Menschen aus ihren Wohnungen geklagt, weil die Bewohner ihre Hypotheken nicht mehr zahlen können. Hohe Arbeitslosigkeit, Steuererhöhungen und Einkommensverluste treiben immer mehr Spanier in die Armut. Inzwischen lebt fast jede vierte Familie unter der Armutsschwelle. Die öffentlichen und karitativen Suppenküchen schaffen es nicht mehr, all jenen eine warme Mahlzeit zu geben, die es nötig hätten.

„Wir können nicht tatenlos zusehen“, sagt die 65-jährige Pilar Goytre. „Wir sind auf dem Wege, alles zu verlieren, was wir bisher erreicht haben“, zürnt sie. „Wir Pensionäre müssen nun unseren Kindern beistehen“, pflichtet ein rüstiger Rentner bei. „Meine Tochter und auch ihr Ehemann haben ihre Jobs verloren.“

Wichtiges Sozialnetz

Mehr als 26 Prozent der aktiven Bevölkerung, annähernd sechs Millionen Menschen, sind derzeit in Spanien arbeitslos, wie neue Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat zeigen. Bei den unter 25-Jährigen stehen 56 Prozent auf der Straße.

Spaniens Rentnergeneration ist das wichtigste soziale Netz in Spanien, da es wenig Hilfen vom Staat gibt. Auch wenn die spanischen Pensionäre eine Durchschnittsrente von lediglich 835 Euro erhalten, wäre ohne ihre Solidarität das Land vielleicht längst zu-sammengebrochen: Hunderttausende Senioren machen sich als Babysitter um ihre Enkel verdient. Sie bieten ihren erwachsenen Kindern Asyl, wenn diese Arbeit und Wohnung verlieren. Manche Alte schleppen mit ihrem Ruhegehalt sogar ganze Großfamilien durch.

Und auch auf der Straße, wo lange Zeit die junge Protestgeneration der „Indignados“, der Empörten, den Ton angab, mischen sich die Yayoflautas nun immer mehr ein.

Manche aber zerbrechen an ihrer Verzweiflung: Erst vergangene Woche gab es im Ferienort Málaga zwei Selbstanzündungen. Beide Männer, 57 und 63 Jahre alt, erlagen später ihren schweren Verletzungen. In den vergangenen Monaten nahm die Zahl der Selbstmordversuche dramatisch zu.

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Quellen: Reuters/diepresse.com vom 09.01.2013

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