Warum Deutsch als Forschungssprache verschwindet

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Deutsch war einmal weltweit die wichtigste Wissenschaftssprache. Heute wird in den Naturwissenschaften fast ausschließlich auf Englisch publiziert – die Geisteswissenschaften ziehen nach.

„Da hob ein Biologe die Hand und sagte: ,In der Biologie gibt es keine deutsche Wissenschaftssprache.'“ Dieter Simon lacht heute über diese Episode, die nun auch schon wieder 15 Jahre zurückliegt.

Der damalige Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hatte es sich so schön ausgedacht: Für den Start des digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache im Geiste von Grimms gedrucktem Wörterbuch sollten alle Fächer von Jura bis zur Mathematik zwei bis drei Handbücher einreichen.

Gewissermaßen Kompendien der jeweiligen deutschen Ausdruckswelten. Und dann dies: „In der Biologie gibt es nur noch englische Texte, das ein oder andere wird übersetzt. Wir haben die Biologie dann weggelassen.“

In den Naturwissenschaften, in Mathematik, in den Lebenswissenschaften wie der Biologie, in der Wirtschaftswissenschaft wird quasi nichts mehr in deutscher Sprache publiziert. Man hört, liest und schreibt englisch. Kongresse, auch auf deutschem Boden, werden ganz selbstverständlich auf Englisch abgehalten. Die Frage nach einem Dolmetscher würde dabei mit höchster Verwunderung quittiert.

Doch längst sind es nicht mehr nur die genannten Fächer, in denen Deutsch ver-schwunden oder im Verschwinden begriffen ist; auch die Geisteswissenschaften verzeichnen einen Bedeutungsverlust des Deutschen.

Mitarbeiter des Hochschulinformationssystem (HIS) haben 2010 dazu Wissenschaftler aus der ganzen Welt befragt. Dabei wiesen ausnahmslos alle Interviewpartner darauf hin, dass Deutsch auch in geisteswissenschaftlichen Disziplinen verliert. Es müssen schon deutschsprachige Wissenschaftler Bahnbrechendes geleistet haben wie etwa in der Kunstgeschichte.

Oder der Forschungsgegenstand muss gute Deutschkenntnisse erzwingen wie in der Musikwissenschaft, damit sich die Sprache einigermaßen behauptet; dann gibt es im Ausland noch eine erkleckliche Zahl an Sprechern oder Lesern.

„Mit Englisch spiele ich in einer anderen Liga“

Dies ist allerdings nicht mehr der Fall in einem Fach, das vielen als Hort des gewählten Deutschen schlechthin gilt: der Philosophie. „Ich sage meinen Studenten schon in der Einführungsveranstaltung, dass Englisch unsere Wissenschaftssprache ist“, sagt Hans Rott, Professor für Analytische Philosophie an der Universität Regensburg.

Rotts Urteil fällt deutlich aus: Neben einem guten deutschen Buch stünden mittlerweile 20 englischsprachige. Selbst zu Kant würden die besten Sachen auf Englisch geschrieben. Und wie ist es mit Heidegger?

Da kann sich Rott leichte Ironie nicht versagen: „Ist das überhaupt Deutsch?“ Die Bedeutung der jeweiligen Muttersprache für seine Disziplin hält Rott für überbewertet. „Die Rolle der Formulierungskunst in der Philosophie wird überschätzt.“ Man müsse dagegen möglichst klar formulieren. Dem könne eine elaborierte Sprache sogar im Weg stehen.

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Letztlich geht es aber auch dem Philosophen darum, an einem international geführten Diskurs direkt und ohne Zeitverzögerung teilnehmen zu können: „Wenn ich ein großes Publikum erreichen will und wirklich was zu sagen habe, dann muss ich in Englisch veröffentlichen.“ Schriebe er auf Deutsch, würde es wohl übersehen. „Mit Englisch spiele ich in einer anderen Liga.“

Dabei gilt für die Philosophie wie fast für jede Wissenschaft: Je kleiner der Kreis derjenigen ist, die sich mit einem Gegenstand beschäftigen, desto höher ist die Neigung, nur noch englisch zu publizieren und zu kommunizieren. Deshalb tendieren früher stark durch das Deutsche geprägte Fächer wie die Ägyptologie oder die Religionswissenschaft ebenfalls immer stärker zum Englischen.

„Objektiver Sog, auf Englisch zu publizieren“

Seine Dominanz resultiert aber nicht nur aus seinem Rang als erster Fremdsprache der Welt. Ein wichtiger weiterer Aspekt ist die Bedeutung der angelsächsischen Forschung. Nicht umsonst hatte das Deutsche im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine kurze Karriere als wichtigste Wissenschaftssprache, als auch ein großer Teil der maßgeblichen natur-wissenschaftlichen Forschung aus Deutschland kam, das Land und seine Bürger das Neue und Unbekannte bejubelten und Entdeckungen kaum unter ethischen Gesichtspunkten bewertet wurden.

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Der nationalistische Eifer des Ersten Weltkriegs und der Exodus der weithin jüdischen Intelligenz im Zweiten Weltkrieg haben das Deutsche seinen Rang gekostet. Die gesell-schaftliche Aufarbeitung dieser Epoche hat zudem gegen einige Forschungsgebiete ein Misstrauen geweckt, das in den Debatten über die Chancen und Risiken von Bio-technologie oder Medizin offensichtlich wird.

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Wissenschaft muss sich heute schon für manches rechtfertigen, was sie noch gar nicht hervorgebracht hat. Das Ausweichen in eine Fremdsprache ist für deutsche Forscher in dem Sinn unbewusst vielleicht auch eine Flucht vor einem sehr kritischen Publikum.

Daneben gibt es weitere Wechselwirkungen, die nicht zu unterschätzen sind. So ist häufiges Zitiertwerden in der Wissenschaft eine der wichtigsten Währungen geworden. Fast schon berühmt geworden ist die Erzählung, dass Albert Einstein heute sicher keinen Lehrstuhl mehr erhielte, weil er einfach viel zu wenig Neigung hatte, ständig irgendwas zu veröffentlichen.

Lehrstühle werden oft jenen überantwortet, die die meisten Publikationen und Referenzen nachweisen können. Die wichtigsten Zitationsverzeichnisse listen jedoch vornehmlich englischsprachige Bücher und Zeitschriften. So fallen Texte in anderen Sprachen nicht mehr ins Gewicht – sie zählen im wahrsten Wortsinn nicht mehr. „Es gibt einen objektiven Sog, auf Englisch zu publizieren“, sagt der Direktor der Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, Ludwig Eichinger.

Forscher berichten, dass in englischsprachigen Publikationen sogar Fußnoten gestrichen werden, die Verweise auf deutsche Titel enthalten. Auch werde von den Autoren verlangt, nicht nur auf Englisch zu schreiben, sondern damit in Stil und Inhalt auch die Anhänger-schaft zu einer bestimmten angelsächsischen Forschungstradition zu dokumentieren. Die Freiheit der Wissenschaft? Wissenschaft ist nicht frei von Machtfragen.

Mehr als 800 englischsprachige Studiengänge in Deutschland

Das Englische wird häufig mit dem Latein der Gelehrten früherer Jahrhunderte ver-glichen. Ein Vergleich, der nach Meinung Ludwig Eichingers hinkt. „Latein war eine Kunstsprache, auf deren Standards sich die Gelehrten verständigten.“ Heute seien diejenigen eindeutig bevorteilt, die Englisch als Muttersprache sprächen.

Vor 15 Jahren wurden die ersten rein englischsprachigen Studiengänge in Deutschland eingerichtet. Heute, so rechnet die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vor, gibt es bereits mehr als 800. In Anbetracht von mehr als 15.000 Studiengängen von Abfallwirtschaft bis Zoologie mag das wenig erscheinen, aber die Tendenz ist eindeutig – auch in der Lehre spielt das Englische eine immer stärkere Rolle: nicht nur als Sprache, in der Texte gelesen werden, sondern in der gesprochen, gelehrt und geschrieben wird.

Das betrifft vor allem das Master-Studium. 700 rein englischsprachige Master-Studiengänge gibt es bereits. Im Bachelor ist es nur ein Siebtel. Das soll nach Meinung des Präsidenten der HRK, Horst Hippler, auch so bleiben. „Im Bachelor sollte die Hauptsprache weiter Deutsch sein. Dabei geht es auch darum, den Studenten die Begeisterung für das Fach zu vermitteln, und das gelingt besser und präziser in der Muttersprache.“ Zur Lehre gehöre eben nicht nur das Vermitteln von Wissen, sondern der Kultur eines Faches.

In der Fremdsprache lernt man weniger

Für ein Festhalten an der Muttersprache spricht auch der Lerneffekt. In einer Studie unter englisch sprechenden schwedischen Physikstudenten, die im „European Journal of Physics“ erschien, wurde nachgewiesen, dass die Studenten in der Fremdsprache spürbar weniger gelernt hatten.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Studie unter Medizinern. 25 Prozent der Informationen eines Textes gingen demnach verloren, wenn die Fachliteratur auf Englisch gelesen wurde.

Damit stellt sich ein weiteres Problem: Geht die deutsche Wissenschaftssprache verlustig, wird es für die Forscher schwieriger, ihre Ergebnisse selbst einem gebildeten Publikum von Laien zu erklären. Gerade bei Disziplinen, die unter einem Recht-fertigungsdruck stehen, wie die Biotechnologie, aber auch die Chemie oder Physik, droht diese „Sprachlosigkeit“ auf sie selbst zurückzufallen. Unverständnis zeitigt dann schnell Ablehnung.

Nicht alle wollen sich damit abfinden. In Berlin gibt es einen von der Bundesregierung geförderten Forschungscluster, in dem etwa Biologen mit Kunsthistorikern zusammen-arbeiten. Ein Ziel von „Bild Wissen Gestaltung“ ist die sprachliche Befruchtung. „Biologen orientieren sich etwa daran, wie wir in der Kunstgeschichte den Faltenwurf einer Madonnenstatue beschreiben, um selbst wieder Worte für die Scheren eines Flusskrebses zu finden“, erzählt der Leiter, der Kunsthistoriker Horst Bredekamp.

„Unser Ziel muss die Mehrsprachigkeit sein“

Das Projekt ist auch Ausweis dafür, dass das Bewusstsein für das, was mit Deutsch als Wissenschafts- und Lehrsprache zu verloren gehen droht, wächst. Internationalität muss nicht zwangsläufig nur mehr Englisch bedeuten.

Die westlichen Geheimdienste – globale Dienstleister wie Occupy & Anonymous – „Umerziehung der Deutschen“ (Videos)

„Englisch suggeriert manchmal auch Internationalität. Und kaschiert doch nur einen Etikettenschwindel“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann. Er plädiert dafür, im Großen wie im Kleinen achtsamer mit der Sprache umzugehen. „Plakate an Unis müssen nicht nur auf Englisch verfasst sein. Mehrsprachigkeit sollte der Anspruch einer Wissenschaft sein, die verantwortlich mit ihrer eigenen Kultur umgeht.“

Dem pflichtet Monika Grütters, CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Kulturausschusses, bei: „Unser Ziel muss die Mehrsprachigkeit sein. Ich halte es für geboten, dass in Publikationen und an Hochschulen mehr in die Übersetzung von Texten investiert wird.“

Das universelle Verblödungssystem (Video)

Gerade in den Geisteswissenschaften habe das Deutsche eine so lange und bedeutende Tradition, dass man nicht eilfertig dem Englischen den Vorzug geben sollte. „Die Nutzung des Englischen ist oft auch ein falsch verstandenes Gleichheitsdenken an der falschen Stelle.“ Jede Sprache habe ein kulturelles Gedächtnis, das dürfe man nicht verspielen. „Wer die Kosten der Übersetzungen ins Feld führt, der handelt kulturvergessen“, meint Grütters.

„Wir Deutsche passen uns halt schnell dem Gegenüber an“, sagt auch Dieter Simon und hat auch dafür die passende Anekdote parat. Einmal habe er mit fünf Philosophen über Hegel diskutiert. Weil ein Amerikaner dabei gewesen sei, hätten die Deutschen englisch gesprochen. „Bis uns der Amerikaner bat, ob wir nicht Deutsch reden könnten. Er würde Hegel in dessen Muttersprache einfach besser verstehen.“

„Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern,
auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eignen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung leider auf Deutschland beschränkt ist.“

Otto von Bismarck

„Ein geistigeres und innigeres Element als die Sprache hat ein Volk nicht. Will ein Volk also nicht verlieren, wodurch es Volk ist, will es seine Art mit allen Eigentümlichkeiten bewahren, so hat es auf nichts mehr zu achten, als daß ihm seine Sprache nicht verdorben und zerstört werde.“

Ernst Moritz Arndt

Quellen: PRAVDA-TV/WeltOnline vom 27.01.2013

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