Konflikt am Mount Everest: Der hohe Druck in der dünnen Luft

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Der Schweizer Bergsteiger Ueli Steck und zwei Kollegen sind Ende April am Mount Everest mit Sherpas aneinandergeraten, es wurde mit einer Steinigung der Bergsteiger gedroht. Der Konflikt ist symptomatisch für den Zeitdruck und die kommerziellen Sachzwänge am Berg.

Der 27. April wird Ueli Steck wohl länger im Gedächtnis bleiben, als manch ein atem-beraubender Kletterrekord. Der reich dekorierte Profi-Bergsteiger aus dem Bernbiet ist zusammen mit seinem italienischen Kollegen Simone Moro und dem englischen Foto-grafen Jonathan Griffith in einen schweren Konflikt mit Sherpas geraten. Die drei Berufs-Berggänger wurden dabei von einer Zusammenrottung von einheimischen Trägern ange-griffen, wobei auch Steine flogen und Steck eine aufgeplatzte Lippe davontrug.

Gefährdung von Sherpas?

Entzündet hat sich der Konflikt auf rund 7000 Metern Höhe an Fixseilen, welche eine Gruppe von vier Sherpas auf der stark begangenen Südroute zwischen den Camps 2 und 3 montieren wollten. Diese sind unerlässlich, damit grössere Gruppen von teilweise nur mässig erfahrenen Kunden das Ziel ihrer bergsteigerischen Träume erreichen können. Derweil waren die drei westeuropäischen Profis in derselben Passage unangeseilt am Rekognoszieren und Akklimatisieren. Steck und Moro befinden sich auf einer Expedition namens «No2 Limits», auf der sie ohne Flaschensauerstoff und auf anderen, noch nicht näher definierten Wegen auf den Gipfel gelangen wollen, die der Fotograf Griffith zwecks medialer Verwertung begleitet.

Während die vier Sherpas ihre Seile montierten, kreuzten die drei Freikletterer ihren Weg, um so ihr bereits zuvor aufgestelltes Zelt zu erreichen. Dabei hätten sie die Arbeit der Sherpas in keiner Art und Weise behindert, heisst es in einer Mitteilung auf Stecks Homepage. Der weiter oben arbeitende leitende Sherpa war offenbar anderer Meinung und stieg wutentbrannt Richtung Steck ab, der im Begriff war, die Seile zu queren.

Er war erbost darüber, dass die Extrembergsteiger die weiter unten arbeitenden Sherpas in Gefahr gebracht hätten. Diese Position erhielt Sukkurs von einem amerikanischen Alpinisten, der laut der Agentur AFP gesehen hat, dass Steck und seine Kollegen von ihren eigenen Sherpas angehalten worden waren, zu warten, bis die Seile gelegt sind. Nachdem sie diese Bitte ignoriert hätten, habe sich bei der Traverse eine Eisschicht gelöst und die unten arbeitenden Sherpas gestreift.

Viel Geld, hohe Ansprüche

Später kam es zum Zusammenstoss im Camp 2, wo der erboste leitende Sherpa mehrere Dutzend Kollegen zusammengetrommelt hatte, um den drei erfahrenen Alpinisten eine Abreibung zu verpassen. Der bereits zitierte Amerikaner erklärte, die drei Bergsteiger seien beinahe getötet worden. Dies habe nur dank dem Eingreifen anderer Alpinisten verhindert werden können.

Die nepalesischen Behörden beeilten sich, den Zwischenfall herunterzuspielen. Für sie ist der Expeditionstourismus eine ökonomische Säule. Wirtschaftliche Sachzwänge plagen aber auch die Veranstalter, die nicht selten 40 000 Franken (EUR 32.096) verlangen, um ihre Kunden in einem kleinen Zeitfenster Ende Mai auf das Dach der Welt zu lotsen. Für so viel Geld wollen diese perfekten Service, unter anderem sicher verlegte Fixseile. Diesen Druck kriegen natürlich auch die Sherpas zu spüren, von denen viele in den letzten Jahren zu selbstbewussten Unternehmern geworden sind.

Mindestens so hoch ist auch der Druck, der auf Steck und Moro lastet, sie müssen ihre Tour nach Kräften vermarkten, um die Sponsoren zufrieden zu stellen. Dabei gibt es in Alpinistenkreisen auch Stimmen, die die Reaktion auf den Zwischenfall für übertrieben und Teil des Vermarktungskonzepts halten.

Ueli Steck im Interview:

Ueli, dein sonst so vergnügtes Lächeln fehlt. Der sensible Rekordbergsteiger scheint verletzt.

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Es ist unbegreiflich, dass in so kurzer Zeit so viel Hass entstehen kann, als wir aus der Lhotse-Flanke zum Lager 2 auf 6400 Metern zurückkehrten, empfing uns eine Mauer von hasserfüllten Sherpas. Ich kann mit Bedrohungen von Lawinen, Séracs, Kälte und Sauer-stoffmangel umgehen, aber so etwas habe ich noch nie erlebt, noch nie hat mich etwas so tief getroffen. Ich kann diesen Hass nicht ertragen, ich bin zu wenig kalt dafür. Ich war emotional noch nie so auf den «Stümpen».

Warum wart ihr überhaupt auf der von den Sherpas verächtlich Yak-Treck genannten Normalroute zum Mount Everest Südgrat unterwegs?

Wir hatten die Überschreitung des Everest im Alpinstil geplant mit Aufstieg über das Hornbein-Couloir oder die Südwestwand. Vom Gipfel wollten wir auf den Südsattel absteigen und dann den Lhotse, den 8511 Meter hohen Trabanten des Everest, besteigen – ohne Sauerstoffgeräte. Man kann von unterhalb des Südsattels vom Genfer Sporn direkt in das Lhotse-Couloir hineinqueren. Diese Idee ist fünfzig Jahre alt, Hornbein und Unsoeld haben das ohne Lhotse und mit künstlichem Sauerstoff 1963 an ihrem Limit geschafft. Dafür wollten wir trainieren, aber nicht in dem Gelände, das wir anschliessend begehen wollten, das hätte den Alpinstil verwässert. Da wir auch eine Permit für die Besteigung des Lhotse hatten, war dieser Yak-Trail mit eingeschlossen.

Wir waren schnell und locker unterwegs, ohne die Fixseile der Touristenroute zu be-nützen, als es zur Auseinandersetzung mit dem Anführer der Sherpas kam. Die Sherpas stiegen dann ab, und wir haben, um Goodwill zu schaffen, noch über 200 Meter Fixseil gespannt. Bei der Rückkehr in Lager 2 erwarteten uns die Sherpas mit Steinen in den Händen und drohten, uns umzubringen. Ich war in meinem Zelt und dachte: All diese Touren und Alleingänge habe ich überlebt und werde nun von Sherpas umgebracht.

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Bis kindskopfgrosse Steine wurden auf unser Zelt geworfen. Nur das Dazwischentreten von Melissa Arnod, einer US-amerikanischen Bergführerin, die schon viermal auf dem Gipfel war und das jetzt ohne Sauerstoff machen wollte, hat uns gerettet. Die Sherpas greifen Frauen nicht an. Mein Partner Simone Moro musste auf Knien um Entschuldigung bitten, dabei wurde er mit Füssen ins Gesicht getreten.

Wieso dieser Hass? Letztes Jahr warst du noch mit einem jungen Sherpa auf dem Gipfel des Everest.

Das ist eine neue Generation von Sherpas, die sehen, dass man mit dem Everest mehr Geld verdienen könnte. Sie wollen die bisherigen kommerziellen europäischen und amerikanischen Anbieter vom Markt verdrängen, offerieren Discountpreise und ver-stehen selbständige Bergsteiger als geschäftsstörend. Warum sie allerdings bis zur Mordlust hasserfüllt waren, ist mir ein Rätsel und bedrückt mich.

Warum meinst du diese Überschreitung schaffen zu können? Die Über-schreitung des Everest wurde von zahlreichen Bergsteigern probiert, einige schafften es mit Sauerstoffgeräten, viele sind dabei umgekommen. Und ihr wolltet dann noch den Lhotse anhängen. Ist das nicht Selbstüberschätzung, Illusion und Sponsorendruck, etwas noch Spektakuläreres, «Unmögliches» zu machen?

Wir wissen nicht, was unmöglich ist. Es gibt eine feine Grenze für das, was menschen-möglich ist. Alles muss perfekt laufen. Letztes Jahr wäre es nicht gegangen, in diesem Jahr schon. Wir setzen auf Schnelligkeit, Fitness und unsere moderne Ausrüstung. Wenn ich früher 12 Kilo tragen musste, so sind das heute 6 Kilo. Das macht einen enormen Unterschied. Ausserdem war ich in der Form meines Lebens. Ich bin in zwei Tagen bis in die Höhe von 7500 Metern geklettert und war am gleichen Abend zurück im Basislager auf 5300 Metern. Auch muss man sehr viel trinken, das haben wir früher nicht gemacht, und das hilft sehr. Und wir essen gut, Simone Moro macht auch in grosser Höhe köstliche Tortelloni. Wir hätten es schaffen können, darum bin ich neben aller Betroffenheit so frustriert. Ich werde es wieder versuchen. Aber zunächst muss ich zur Ruhe kommen und diese schwere Enttäuschung überwinden. Der Verlust an Vertrauen, der so plötzlich passiert ist, macht mich kaputt.

Dass du zum Everest zurückkehren wirst, musst du wohl sagen, schliesslich erwarten die Sponsoren Schlagzeilen.

Das hat nichts mit den Sponsoren zu tun, ich will für mich diese Leistungen erbringen. Natürlich sind die Sponsoren auch begeistert, wenn so etwas gelingt. Wie sie jetzt dazu stehen, werden wir sehen. Aber vorübergehend ist erst einmal Schluss mit dem Everest, es gibt noch andere Herausforderungen.

Wie schwer ist es, vom Bergsteigen zu leben? Wie viel kann man da ver-dienen?

Es ist ökonomisch nicht einfach, Berufsbergsteiger zu sein, aber Reinhold Messner hat es vorgemacht. Ausser mir leben in der Schweiz noch Stefan Siegrist und Roger Schälli ausschliesslich vom Bergsteigen, also von Sponsoring, Werbung, Vorträgen und Publikationen. Alle anderen – und es gibt viele ganz hervorragende Bergsteiger in der Schweiz – haben noch einen weiteren Beruf und sind zum Beispiel Bergführer. Reich wird man nicht davon. Der berühmte amerikanische Kletterer Jim Bridwell ist im Alter auf Sozialhilfe angewiesen, und Jeff Lowe sitzt mittellos im Rollstuhl. Ich habe es immerhin schon zu einem Haus gebracht.

Quelle: nzz.ch vom 01.05.2013

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