
„Bollwerk Bärlin“ nennt die Bundeswehr ein Manöver, das ab Montag mitten in der Stadt stattfinden soll. Die Bezeichnung wurde schon kritisiert, da sie an die „Festung Berlin“ im Zweiten Weltkrieg erinnert. Aber bei der konkreten Umsetzung stellen sich noch ganz andere Fragen.
Von Montag bis Freitag verwandeln sich Teile der Stadt, insbesondere die Umgebung rund um die U-Bahnstation Jungfernheide, in einen Kriegsspielplatz.
Dort und auf einem Trainingsgelände der Polizei in Ruhleben wie auf dem Gelände des ehemaligen Chemiewerks Rüdersdorf führt das Wachbataillon der Bundeswehr seine Übung „Bollwerk Bärlin III“ durch.
Dabei soll „das Schützen und Sichern verteidigungswichtiger Infrastruktur sowie von Einrichtungen der Bundesregierung“ geübt werden.
„Im Fokus steht dabei das Training im dynamischen urbanen Umfeld Berlins – also mitten in der größten Stadt Deutschlands mit allen Bedingungen, die das mit sich bringt: enge Bebauung, viele Menschen, Verkehr auf unterschiedlichen Verkehrsträgern“, schreibt die Bundeswehr auf ihrer Webseite.
„Orts- und Häuserkampf“ soll dabei geübt werden; bei Jungfernheide insbesondere „das Freikämpfen von Verkehrswegen, der Transport eigener Kräfte, das Abarbeiten der Verwundetenkette und das Festsetzen von Saboteuren“.
Eingesetzt werden auch Scharfschützen in der Nähe der U-Bahnstation. Diese Übungen spielen sich zwischen ein und vier Uhr in der Nacht ab, am 18., 19. und 20. November. (Wehrdienst: Deutschlands Männer ans Gewehr: Freiwillige sollen mit Geld geworben werden, bei »Bedarf« kann Zwang eingesetzt werden)
Die Berliner werden dennoch genug davon mitbekommen – die Bundeswehr warnt vor „Verkehrsbehinderungen, Umleitungen und erhöhter Präsenz von Einsatzfahrzeugen der Bundeswehr“ und weist explizit darauf hin, es sei nicht erlaubt, sich zwischen die Fahrzeuge einer Kolonne zu drängen. Der ohnehin berüchtigt flüssige Berliner Verkehr dürfte also noch etwas zäher werden.
„Alle Aktivitäten erfolgen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und in Abstimmung mit Berliner Behörden“, heißt es außerdem. Eine Aussage, die seit dem Schusswechsel zwischen Bundeswehr und Polizei bei einer ähnlichen Übung in Erding durchaus Sorgen bereiten kann.
Dort hatten Anwohner die Polizei gerufen, als bewaffnete Maskierte sich durch den Ort bewegten; diese wurde dann von der Bundeswehr, die sie für Teil der Übung hielt, mit Platzpatronen beschossen, woraufhin diese scharf zurückschoss.
Aber zumindest beschränkt sich die Bundeswehrübung in Berlin auf Stadtviertel, in denen sich nicht noch ganz andere gesellschaftliche Gruppen angegriffen fühlen könnten.
70 Jahre Bundeswehr: Von der „neuen Wehrmacht“ zur totalen Kriegsarmee
Das feierliche Gelöbnis vor dem Reichstag und die Reden von Verteidigungsminister Boris Pistorius und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) anlässlich des 70. Jahrestags der Bundeswehr erinnerten an die dunkelsten Zeiten des deutschen Militarismus und unterstrichen, an welche verheerenden Traditionen und Kriegsziele der deutsche Imperialismus wieder anknüpft.
Bezeichnenderweise verständigten sich die Regierungsparteien am selben Tag auf ein neues Wehrdienstgesetz, das die Musterungspflicht aller jungen Männer vorsieht, um das notwendige Kanonenfutter für neue imperialistische Kriege auszuheben.
80 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs und den größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte dominiert erneut das Militär die deutsche Hauptstadt. In einem martialischen Aufzug marschierten zwischen Reichstag und Kanzleramt – abgeschirmt von der Öffentlichkeit – 280 Rekruten auf und wurden feierlich vereidigt.
Das Spektakel wurde live im ZDF übertragen und in den Nachrichtensendungen gefeiert – mit dem offensichtlichen Ziel, das Gift des Militarismus in der Bevölkerung zu verbreiten. Öffentliche Gelöbnisse wie dieses haben ihren Ursprung im preußischen Militarismus, wurden im Kaiserreich ausgeweitet und unter den Nazis kultisch zelebriert.
In ihren Festreden waren Pistorius und Steinmeier bemüht, die historischen Wurzeln der Bundeswehr zu verschleiern. „Aus den Schatten unserer Geschichte ist eine Armee hervorgegangen, eine besondere Armee, die grundlegend anders ist als alle ihre Vorgänger“, behauptete Pistorius und beschrieb die Truppe als „fest verankert in der Demokratie, dem Recht und der Freiheit verpflichtet“.
Diese Darstellung ist heute so verlogen wie bei der offiziellen Gründung der Bundeswehr am 12. November 1955 – nur zehn Jahre nach der Kapitulation der Wehrmacht, der größten Mordmaschinerie der Geschichte. Bezeichnenderweise hieß die Armee zu diesem Zeitpunkt noch „neue Wehrmacht“ – erst 1956 wurde sie offiziell in „Bundeswehr“ umbenannt.
Und der Name war Programm: Die 44 Generäle und Admirale, die bis 1957 ernannt wurden, kamen sämtlich aus Hitlers Wehrmacht, überwiegend aus dem Generalstab des Heeres. 1959 stammten von 14.900 Berufsoffizieren 12.360 aus der Wehrmacht, 300 sogar aus dem Führerkorps der SS.
Der Militärhistoriker Wolfram Wette schrieb 2011, diese personelle Kontinuität habe das Innenleben der Armee „schwer belastet“ und es habe „lange Zeit die zwar nicht durchgängige, aber doch vorherrschende Tendenz“ gegeben, sich an den Traditionen vor 1945 zu orientieren.
Mit der Wiedervereinigung vor 35 Jahren wurde diese Entwicklung weiter verschärft. Bereits 1991 erklärte ein General: „Auf die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr hin ist alles auszurichten.“ Es folgten weltweite Kriegseinsätze – im Kosovo, in Afghanistan, im Nahen Osten und in Afrika –, die im Bündnis mit den führenden NATO-Mächten ganze Regionen in Schutt und Asche legten.
Heute ist die Orientierung an der Wehrmacht keine „Tendenz“ mehr, sondern offizielle Politik. Der deutsche Imperialismus bereitet sich systematisch auf einen großen Krieg gegen Russland vor und hat dafür das größte Aufrüstungsprogramm seit Hitler aufgelegt. Die Richtung gab Pistorius beim Jubiläumsgelöbnis ganz unverblümt aus:
Man müsse „jetzt entschlossen und ohne Zögern“ handeln, „Finanzen, Ausrüstung, Infrastruktur“ radikal ausweiten und die Bundeswehr „auf Landes- und Bündnisverteidigung“ ausrichten – ein Euphemismus für die Schaffung einer Armee für den totalen Krieg.
Auf der Bundeswehrtagung vor einer Woche ließen Kanzler Friedrich Merz (CDU), Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer keinen Zweifel an ihren größenwahnsinnigen Plänen, die Arbeiter und Jugendliche mit ihren sozialen und demokratischen Rechten – und letztlich mit ihrem Leben – bezahlen sollen.
Merz forderte erneut, die Bundeswehr „zur stärksten konventionellen Armee in der Europäischen Union“ zu machen, „wie es einem Land unserer Größe und Verantwortung angemessen ist“.
Breuer konkretisierte, welche Dimension das Personal haben müsse: „460.000 Soldatinnen und Soldaten … das ist der Rahmen, in dem wir uns am Ende bewegen müssen.“ Damit würde Deutschland nicht nur die größte Armee Europas aufstellen, sondern den Zwei-plus-Vier-Vertrag offen brechen, in dem sich die Bundesrepublik verpflichtet hat, ihr Militär auf maximal 340.000 Soldaten zu beschränken und auf Atomwaffen zu verzichten. Letzteres wird in Regierungskreisen und in den Medien inzwischen ebenfalls offen in Frage gestellt.
Breuer machte unüberhörbar klar, wohin die Reise führt: in Richtung Krieg, Vernichtung und Tod. Es gehe um Soldaten, „die an vorderster Front kämpfen. Darum geht es. Es geht um das scharfe Ende.“ Am Ende seiner Kriegsrede rief er: „Für eine Bundeswehr, die erfolgreich kämpft … für Fight Tonight, für 2029 und 2039, für eine einsatzbereite Bundeswehr.“
Das neue alte Feindbild ist Russland – dieselbe Macht, gegen die das deutsche Militär im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege führte. Unter den Nazis einen barbarischen Vernichtungskrieg, der mindesten 27 Millionen Sowjetbürgern den Tod brachte und in den Holocaust führte. Es ist das erklärte Ziel Breuers und der Bundesregierung, bis 2029 erneut Krieg gegen die rohstoffreiche Atommacht führen zu können.
Pistorius bekräftigte die Steigerung des Rüstungshaushalts auf „rund 153 Mrd. im Jahr 2029“. Hinzu kommen fünfhundert Milliarden für die Kriegsvorbereitung der Infrastruktur aus dem beschlossenen Sondervermögen. „Die Infrastruktur ist wesentlich für unsere Verteidigungsfähigkeit“, betonte der Verteidigungsminister und forderte „ertüchtigte Verkehrswege“, „leistungsfähige Depots, Kasernen, Übungsplätze und logistische Drehkreuze“.
Die zentrale Aufgabe: die Verlegung von Nato- und Bundeswehrtruppen an die Ostflanke. Pistorius verkündete stolz die dauerhafte Stationierung der Panzerbrigade 45 in Litauen: „Das Signal muss lauten: Deutschland geht voran – als Schrittmacher unter den europäischen Nationen.“
Für die dort stationierten 5.000 Soldaten brauche man „modernes Material und Fähigkeiten in allen Dimensionen – nicht fürs Depot, sondern für unsere Frauen und Männer vor Ort“.
Dabei geht es nicht um „Freiheit“ oder „Demokratie“, sondern um die alten imperialistischen Großmachtinteressen: die Dominanz Deutschlands über Europa und die gewaltsame Durchsetzung seiner ökonomischen und geopolitischen Ziele in Osteuropa und gegenüber Russland.
Der reaktionäre russische Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 wurde von den führenden NATO-Mächten bewusst provoziert, um eine Agenda der totalen Militarisierung und Kriegsvorbereitung durchzusetzen.
Pistorius erklärte offen, dass die Militarisierung die gesamte Gesellschaft erfassen müsse: „Wir wollten und wir wollen die Bundeswehr stärker im ganzen Land sichtbar machen.“
Zum 70. Geburtstag bringe man „diese Sichtbarkeit wieder in die Hauptstadt als Ausdruck und Würdigung für 70 Jahre Einsatzbereitschaft, Leistung und Treue“.
Quellen: PublicDomain/rtnewsde.com/wsws.org am 17.11.2025










