
Peter Thiel, der milliardenschwere Tech-Investor und politische Strippenzieher mit deutschen Wurzeln gehört zu den reichsten und zugleich widersprüchlichsten Zeitgenossen der Gegenwart.
Als Mitgründer von PayPal und Palantir bewegt er sich zwischen Geisteswissenschaft und Finanzwelt. Im November hielt Thiel eine vierteilige Vortragsreihe im Hafenviertel von San Francisco, in der er über die Identität des Antichristen philosophierte und vor dem bevorstehenden Armageddon warnte. Von Frank Schwede
Er ist der Apokalyptiker des Silicon Valley und spricht vom Endkampf des Westens. In vier inoffiziellen Vorträgen über den Antichristen in San Francisco warnte Peter Thiel vor dem bevorstehenden Armageddon.
Thiel, der sich selbst als orthodoxen Christen im engeren Sinne bezeichnet, glaubt, dass der Vorbote des Weltuntergangs bereits unter uns weilt, dass internationale Organisationen, Umweltschutz und Technologiebeschränkungen seinen Aufstieg nur beschleunigen könnten.
Thiel ist in den USA seit Langem eine umstrittene Figur. Er gilt als Unterstützer von US Präsident Donald Trump – vor allem seines Vize JD Vance. Auch einem breiten deutschen Publikum ist Thiel durch seine Podcastreihe im Deutschlandfunk bekannt.
Thiel gilt als jemand, der zwei Schritte voraus denkt, während andere noch nach Orientierung in der Gegenwart suchen. Auffällig ist, dass Thiels Jargon nicht üblich ist für die Tech-Branche, vielmehr ist sein Wortschatz durchsetzt von apokalyptischen Bildern.
In einem Interview mit der Schweizer Zeitschrift Weltwoche bezeichnete Thiel Ex-US-Präsidenten Joe Biden als falschen Freund und seelenlosen Roboter, der als Vertreter der Gerontokratie das Ende des politischen Establishments anzeigt und das Endspiel einleitet, während Donald Trump den unorthodoxen Spieler erkennt, der den liberalen Konsens sprengt.
Dem Westen stellt Peter Thiel ein schlechtes Zeugnis aus. Er befindet sich seinen Worten zufolge im Endkampf. Er sei wirtschaftlich und geistig erschöpft und herausgefordert durch China und eine eigene innere Leere.
Anders als Kulturkritiker sieht Thiel die Wurzel des Übels nicht unbedingt in ökonomischen Strukturen, sondern vor allem im Verlust des Religiösen. Er sagt: „Religion ist der Kern des Westens – nämlich das Christentum.“
Die größte Bedrohung ist nach Worten Thiels nicht Krieg und Rezession, sondern der Antichrist. Thiel deutet ihn in seinen Vorträgen doppelsinnig: politisch und theologisch. (Krieg noch vor Weihnachten: Hatte Alois Irlmaier mit seinen Prophezeiungen recht? (Video))
„Bill Gates ist ein schrecklicher Mensch“
Politisch steht der Antichrist für den totalitären Einheitsstaat, der unter dem Vorwand universaler Rettung die völlige Gleichschaltung erzwingt. Aus theologischer Sicht ist er der Hyperchrist, der optimierte Christ, der besser sein will als Jesus Christus.
Im November hielt Thiel eine vierteilige Vortragsreihe im Hafenviertel von San Francisco, in der er über die mögliche Identität des Antichristen philosophierte und vor dem bevorstehenden Armageddon warnte.
Die Vorträge waren lang und umfassend. Thiel vermischte Bibelstellen, neuere Geschichte und Philosophie und driftete nach Meinung kritischer Beobachter mitunter in das Reich der Verschwörungstheorien ab.
Immer wieder streute Thiel Anspielungen auf beliebte Videospiele und Fernsehserien, sinnierte über J.R.R. Tolkins „Der Herr der Ringe“, erinnerte an tiefgründige Gespräche mit Elon Musk und Benjamin Netanjahu und äußerte sich ausführlich über Bill Gates, den er persönlich für einen wirklich schrecklichen Menschen hält. Thiel:
„Ein Freund meinte, ich solle mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Leuten in San Francisco zu sagen, dass Bill Gates der Antichrist ist. Ich gebe zu, er ist definitiv eine Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Der öffentliche Mr. Rogers, der nette Nachbar. Die Mr. Hyde-Version habe ich vor etwa einem Jahr erlebt: ein ununterbrochenes Gebrüll mit Tourette-Syndrom, Schimpfwörter – man konnte kaum noch verstehen, was da eigentlich vor sich ging.“
Letztendlich musste Thiel aber einräumen, dass Bill Gates nicht der Antichrist sein kann:
„Er ist kein politischer Führer, er ist nicht allgemein beliebt, und – vielleicht muss man Gates dafür loben – er steckt immer noch im 18. Jahrhundert fest, zusammen mit Leuten wie Richard Dawkins, die glauben, dass Wissenschaft und Atheismus vereinbar sind.
Ich glaube nicht, dass Bill Gates, den ich für einen wirklich schrecklichen Menschen halte, auch nur annähernd in der Lage wäre, der Antichrist zu sein.“
Thiel kennt sich bestens aus mit Wladimir Solowjews Erzählung vom Antichrist und Robert Hugh Bensons Werk „Herr der Welt.“ In beiden Büchern wird nach Worten Thiels der Leser darüber im Unklaren gelassen, wie genau es dem Antichrist gelingt, die Macht zu ergreifen.
Thiel glaubt, dass die Lösung für diese Frage im inneren Zusammenhang von Antichrist und Armageddon zu finden ist. Die Angst vor einem Armageddon, also einer totalen Vernichtung, bereite aktuell dem Antichrist die psychologische und politische Bühne.
Katastrophenrhetorik wird zum Machtinstrument
Der Antichrist wird, so Thiel, unablässig über Armageddon reden und sich am Ende als Retter anbieten. Auf diese Weise wird die Katastrophenrhetorik zum idealen Machtinstrument.
Die Furcht vor dem totalen Untergang erzeugt bei den meisten Menschen einen unstillbaren Durst nach Sicherheit – und genau dieser Wunsch gebiert nach Worten Thiels die autoritäre Einheit, die Thiel das „Endspiel des Westens“ nennt.
Thiel kritisiert in diesem Zusammenhang nicht nur den Liberalismus, sondern vor allem die globale Religion der Angst, wie er sie bezeichnet, die unter Berufung auf mögliche bevorstehende Katastrophen das Heil durch Kontrolle verspricht – und die aus seiner Sicht verweltlichten Kirchen hätten dem nichts mehr entgegenzusetzen. Thiel erklärt:
„Wir haben alle panische Angst, dass wir schlafwandelnd in Armageddon hineinsteuern. Und weil wir wissen, dass der Dritte Weltkrieg ein ungerechter Krieg sein wird, treibt uns das zusätzlich an. Wir setzen alles daran, Frieden zu schaffen, koste es, was es wolle.“
Was mir in solchen Situationen Sorge bereitet, ist, dass man sich nicht ausreichend mit den Details des Friedens auseinandersetzt und die Wahrscheinlichkeit für einen ungerechten Frieden dadurch deutlich steigt.
Das ist übrigens die Parole des Antichristen: 1. Thessalonicher 5,3. Es geht um Frieden und Sicherheit – einen ungerechten Frieden.“
Der Antichrist ist für Thiel gleichbedeutend mit einem Weltstaat. Er glaubt, dass internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und der Internationale Strafgerichtshof das Armageddon beschleunigen.
Auf seiner Vortragsreise warnte er vor der seiner Ansicht nach von diesen Institutionen ausgehenden Gefahr und dem bereits angerichteten Schaden. Thiel:
„Sie haben begonnen, immer mehr Menschen zu verhaften. Rodrigo Duterte, der ehemalige Präsident der Philippinen, wurde dieses Jahr verhaftet. gegen Netanjahu und Gallant lagen Haftbefehle vor.
Als ich Netanjahu Anfang 2024, also vor etwa anderthalb Jahren, traf, sprachen wir über das Vorgehen in Gaza, und seine Antwort lautete: „Ich kann Gaza nicht einfach in Dresden verwandeln – man kann nicht einfach mit Brandbomben bewerfen.“
Ich dachte nur: „Ich bin doch weniger ein Kriegsverbrecher als Winston Churchill. Warum stecke ich in so große Schwierigkeiten?“
Thiel argumentiert, dass der Antichrist, um das Armageddon in einem einzigen Leben herbeiführen zu können, sehr jung sein muss. Er nennt die Zahl 33 als glücksverheißend und zieht Parallelen zu großen und einflussreichen Persönlichkeiten, die im Alter von 33 Jahren starben. Thiel nennt unter anderem Jesus, Buddha und einige literarische Figuren:
„Christus wurde nur 33 Jahre alt und gilt als der größte Mann der Geschichte. Der Antichrist muss das irgendwie übertreffen. Ich will die Zahl 33 nicht allzu wörtlich nehmen.
Mir geht es nur darum zu betonen, dass der Antichrist ein junger Eroberer sein wird; vielleicht ist unsere Gerontokratie 66 das neue 33. Aber solche Zahlen tauchen in verschiedenen Kontexten fast mystisch auf.“
Kein Politiker wird alle Probleme lösen können
Thiel wird auf seiner Vortragsreihe mehrmals zu Donald Trump befragt und wie dieser in seiner Vorstellungswelt von der Form eines möglichen Weltuntergangs passt.
Eine Frage lautete, ob Trumps Ablehnung einer globalen Ordnung ihm Erleichterung hinsichtlich der beschleunigten Entstehung einer Weltordnung verschafft. Thiel antwortet auf diese Frage:
„Wissen sie, kein Politiker, nicht einmal Reagan, wird alle Probleme für immer lösen. Es gab einen Moment in den 80-er Jahren, da glaubten wir, Reagan hätte die Probleme der Welt endgültig gelöst.
Das ist eine zu hohe Messlatte, die Sie Herrn Trump anlegen. Sie versuchen lediglich ein subtiles Anti-Trump-Argument zu konstruieren. Das lasse ich nicht zu.“
Thiel äußerte sich auch zum heutigen Russland und Wladimir Putin:
„Aus vielerlei Gründen gefallen mir die russischen Theorien nicht besonders, in denen Putin sich selbst als Katechon und letzten christlichen Führer der Welt bezeichnet.
Man kann nicht in die Seele eines Menschen blicken. Ich vermute eher, er ist ein KGB-Agent als ein Christ. Um Katechon zu sein, muss man natürlich mächtig genug sein, um womöglich zum Antichristen zu sein.
Russland ist bei Weitem nicht mächtig genug, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Es kann nicht einfach nur der Katechon oder das neue Rom sein.“
In einem seiner Vorträge zeigt Peter Thiel auch einen Ausschnitt aus einem Beitrag des CBS-Nachrichtenformats 60 Minutes über ein deutsches Gesetz zur Bekämpfung von Hassrede im Internet.
Thiel versucht damit ein Beispiel dafür aufzuzeigen, wo die Regulierung von Tech-Unternehmen zu weit gehen und damit dem Antichristen Macht verleiht. Er sagt:
„Dieses Video ist lächerlich, aber natürlich bezeichnend für diesen größeren Trend. In Brasilien gibt es einen verrückten Richter, der jeden verhaftet. Australien hat die Anonymität im Internet praktisch abgeschafft; für alle sozialen Medien ist eine Altersverifizierung erforderlich.
Großbritannien verhaftet täglich 30 Menschen wegen anstößiger Äußerungen. Ich bin grundsätzlich für maximale Meinungsfreiheit, aber mein einziger konkreter Test ist, ob ich über den Antichristen sprechen darf. Wenn nicht, ist das zu restriktiv.“
Am Tag von Thiels letztem Vortrag in San Francisco versammelte sich eine Gruppe von zwanzig Demonstranten vor dem Eingang und hielt Schilder gegen Palantir und Ice hoch, auf denen stand: „Wir profitieren nicht von Leuten, die vom Elend profitieren“ und „Nicht heute, Satan“.
Daneben schritten drei als Satanisten, gekleidete in schwarze Kostüme und mit Gothic-Make-up die Reihe der Anwesenden ab. In ihren Händen hielten sie einen Kelch mit einer roten Flüssigkeit und einem kleinen Knochen aus Plastik. Sie fragten:
„Würdet ihr unserem dunklen Herrn Peter Thiel das Blut dieses Babys bringen?“
Im Anschluss führten sie ein sogenanntes dunkles Ritual auf. Sie tanzten langsam im Kreis zu Mozarts Requiem in d-Moll, das damit endete, dass sie sich auf dem Bürgersteig wanden und riefen:
„Bringt uns in eure persönliche Hölle… Danke, dass ihr unser dunkler Herr seid.“
Fazit: Peter Thiel denkt Religion, Technologie und Politik radikal neu. Alles sieht danach aus, dass er zwischen libertären Idealen, christlicher Transzendenz und apokalyptischen Visionen an einer neuen Weltordnung arbeitet – und das ohne jede Form von Demokratie.
Thiel arbeitet aus dem Verborgenen. Wo andere Akteure die politische Bühne und das Scheinwerferlicht lieben, zieht er die ideologischen Strippen im Hintergrund. Seine Investitionen, seine Auftritte, seine Interviews fügen sich zu einem kohärenten Weltbild.
Alles sieht gerade danach aus, dass die liberale Demokratie versagt hat. Was die Welt jetzt braucht, ist eine postliberale Ordnung, gestützt auf religiöse Transzendenz, technologische Visionen und politische Allmacht – und Peter Thiel mittendrin als Erlöser.
Quellen: PublicDomain/Frank Schwede für PRAVDA TV am 19.12.2025
















