Marihuana: Amerika hört das Gras wachsen

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Die Cannabislegalisierung in der US-Hauptstadt Washington D.C. markiert trotz unklarer Rechtslage den rasanten Meinungswandel der amerikanischen Gesellschaft gegenüber der Selbstberauschung.

Sein Markenzeichen, die rote Mütze von Papa Schlumpf, auf dem Kopf, von Journalisten und Kameramännern umringt, tat Adam Eidinger am Donnerstag das, worauf er seit fast drei Jahren hingearbeitet hatte: Er rauchte einen Joint, ohne befürchten zu müssen, von der Polizei festgenommen zu werden.

„Das fühlt sich großartig an, wie eine Befreiung“, sagte der 40-jährige Sprecher jener Bürgerinitiative, welche im vergangenen November die Legalisierung des privaten Marihuanakonsums in Amerikas Hauptstadt erfochten hatte. 114.929 Bürger sprachen sich damals bei einer Volksabstimmung für, 49.094 gegen diese Reform aus.

Mit dieser satten Mehrheit von 70 Prozent im Rücken widerstand Washingtons neue Bürgermeisterin, Muriel Bowser, dem starken Druck der Republikaner im US-Kongress und erließ ein Gesetz, das den Besitz von zwei Unzen Marihuana (das sind etwas weniger als 60 Gramm) ebenso erlaubt wie dessen Konsum in den eigenen vier Wänden sowie das Pflanzen von bis zu sechs Setzlingen, von denen höchsten drei zur Erntereife geraten dürfen.

Kein Kiffen im Park

Nicht erlaubt ist allerdings der öffentliche Konsum, und das schließt, streng genommen, sogar den eigenen Balkon oder Hintergarten ein. Dasselbe gilt für die Pflanzen; auch sie dürfen nur innerhalb der eigenen vier Wände kultiviert werden. Der bloße Besitz von Marihuana bis zur Höchstmenge von zwei Unzen ist nun legal, allerdings nicht überall auf dem Stadtgebiet von Washington.

Parks und nationale Gedenkstätten machen knapp ein Drittel der Fläche der Stadt aus, sie werden von der Bundesbehörde für Nationalparks mit einer eigenen Polizeitruppe überwacht, und wer hier mit Gras in der Tasche erwischt wird, dem drohen weiterhin bis zu 60 Tage Gefängnis. Bewohner von Sozialbauten, die aus dem Bundesbudget bezuschusst werden, sollten auch zu Hause die Finger vom Haschisch lassen: Das ist nämlich weiterhin ein Kündigungsgrund. Zu dieser ohnehin bereits sehr verwirrenden Rechtslage kommt der Umstand, dass es in Amerikas Hauptstadt weiterhin keinen legalen Markt für Marihuana gibt. Der Grund dafür liegt darin, dass der US-Kongress letztlich in allen Fragen der Washingtoner Stadtgesetzgebung das letzte Wort sprechen kann. Sowohl im Senat als auch im für Haushaltsfragen federführenden Abgeordnetenhaus haben die Republikaner die Mehrheit, und sie lehnen die Cannabislegalisierung ab. „Wir sagen: Sie schreiten hier auf eine Gefahr voran“, warnte Jason Chaffetz, der Vorsitzende des ständigen Kontrollausschusses im Abgeordnetenhaus, diese Woche Bürgermeisterin Bowser in einem Brief.

Die Republikaner drohen damit, das Justizministerium zur Verfolgung all jener Washingtoner Stadtfunktionäre aufzufordern, die an der Legalisierung mitwirken. Denn nach dem Controlled Substances Act aus dem Jahr 1970 ist Cannabis weiterhin in jener Klasse der Suchtmittel klassifiziert, die nach Ansicht des Gesetzgebers das höchste Suchtpotenzial haben.

Dass man trotz dieses klaren Verbotes in den Bundesstaaten Colorado, Washington, Alaska und Oregon dennoch legal Cannabis verwenden darf, liegt daran, dass die Bundesregierung erklärt hat, Staaten, deren Bürger sich für die Legalisierung aussprechen, nicht die Bundesdrogenbehörde heimsuchen zu lassen, sofern sie einen geregelten Markt schaffen.

Hier liegt das Problem an der Legalisierung in D.C.: Einen geregelten Markt gibt es nicht, weil dazu die Zustimmung des Kongresses nötig wäre. Wer also in der Hauptstadt legal kiffen will, muss für unbestimmte Zeit selbst anbauen. Es liegt auf der Hand, dass nur die wenigsten Cannabiskonsumenten sich diese Mühe antun. Somit spielt die Legalisierung fürs Erste den illegalen Drogenhändlern in die Hände, deren Kuriere nun, sofern sie sich an den Höchstwert halten, noch viel schwerer von der Polizei erwischt werden können als bisher.

Eine unmittelbare positive Auswirkung hat die Legalisierung allerdings. Sie wird die bis zum Beginn des vorigen Jahres außergewöhnlich hohe Rate an Verhaftungen wegen des Besitzes von Cannabis senken. Damals setzte die Stadt für den Besitz von weniger als einer Unze Cannabis bloß eine Verwaltungsstrafe fest. Washington hatte bisher die US-weit höchste Rate an polizeilichen Festnahmen wegen Cannabisbesitzes, sie war zum Beispiel im Jahr 2010 viermal so hoch wie im landesweiten Durchschnitt.

Die Gründe dafür sind unklar, und es ist bemerkenswert, dass Schwarze mit achtmal höherer Wahrscheinlichkeit verhaftet wurden als Weiße, obwohl in beiden Gruppen gleich häufig gekifft wird. Ein Grund für diese Schieflage dürfte darin liegen, dass Armut und Gewalt in Washington überwiegend im fast ausschließlich schwarzen Südosten der Stadt konzentriert sind. Die Polizei ist darum dort stärker präsent als in den reicheren und weißeren Stadtteilen. Zuletzt stiegen die Zahlen an Festnahmen in dieser Stadt mit rund 650.000 Einwohnern stark an: 4445 im Jahr 2009, ein Jahr später 5280, wieder ein Jahr darauf 5759, laut Polizeistatistik.

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Keine Frage der Moral

All dies spielt sich vor dem Hintergrund eines rasanten Anschauungswandels in Amerikas Gesellschaft ab. Binnen eines Jahrzehnts ist die Unterstützung für die Legalisierung um 20 Prozentpunkte gestiegen, hat die Brookings Institution in einer im Mai 2013 vorgestellten Umfrage erhoben. Ende der 1980er-Jahre waren mehr als 80 Prozent dagegen, Cannabiskonsum zu erlauben; heute ist eine knappe Mehrheit dafür. Ob diese Haltung dauerhaft ist, werde davon abhängen, wie sich die bisherigen Legalisierungen bewähren, resümieren die Studienautoren William Galston und E.J. Dionne: „Die Unterstützung für die Legalisierung ist weniger von moralischer Überzeugung getragen als von der Meinung, dass das keine moralische Frage ist.“

50 Prozent meinten das, nur 32 Prozent lehnten Cannabis aus moralischen Gründen ab. Indes meinten 72 Prozent, dass der Aufwand der Regierung, gegen Marihuana vorzugehen, mehr koste, als er bringe. „Der demografische Wandel und die weit verbreitete eigene Erfahrung mit Marihuana legen es nahe, dass die Gegnerschaft der Legalisierung nie wieder das Niveau der 1980er-Jahre erreichen wird“, hielten Galston und Dionne fest.

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FAKTEN

Legalisiert: In den Bundesstaaten Colorado, Washington, Oregon und Alaska ist der Konsum von Marihuana erlaubt. In Colorado und Washington gibt es zudem öffentlich regulierte Märkte für den kommerziellen Anbau und Vertrieb von Cannabis, in Oregon und Alaska wird das in zwei Jahren so weit sein.

Umstritten: Die Bürger der Hauptstadt Washington D.C. sprachen sich im November mit Zweidrittelmehrheit für die Legalisierung aus. Seit vergangener Woche darf man hier privat legal kiffen. Der von den Republikanern kontrollierte Kongress verweigert D.C. allerdings die Schaffung eines Cannabismarktes.

Quellen: diepresse.com vom 03.03.2015

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