Damit wäre das Problem des langen Anflugs gelöst: Israels Militär könnte bei einem Angriff auf Iran von Flugplätzen in Aserbaidschan aus starten, berichtet „Foreign Policy“ – und so auf das Betanken seiner Jets während des Flugs verzichten. Ein Schlag gegen Teheran würde wahrscheinlicher.
Nur wenige hundert Kilometer sind es vom Luftwaffenstützpunkt Sitalcay inAserbaidschan bis zur iranischen Grenze. Seit dem Ende der Sowjetzeit führt die Militärbasis mit ihren zwei Startbahnen ein Schattendasein. Doch schon bald könnte von hier Israels Krieg gegen Iran beginnen.
Das US-Magazin „Foreign Policy“ berichtet unter Berufung auf vier hochrangige US-Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter, dass die israelische Luftwaffe Zugang zu mehreren Militärflugplätzen in Aserbaidschan erhalten habe. „Die Israelis haben sich einen Fliegerhorst gekauft. Und dieser Fliegerhorst heißt Aserbaidschan“, zitiert die Zeitschrift einen Regierungsbeamten aus Washington.
Damit wachsen in den Vereinigten Staaten die Befürchtungen vor einem israelischen Militärschlag gegen Iran. „Wir beobachten, was Israel gerade in Aserbaidschan macht. Und wir sind nicht glücklich darüber“, sagte ein US-Geheimdienstler, der mögliche Auswirkungen eines israelischen Angriffs untersucht.
Mit einem Luftwaffenstützpunkt in Aserbaidschan würde ein Angriff der israelischen Armee auf Ziele in Iran deutlich einfacher: Kampfjets, die in Israel starten, könnten dort zum Tanken zwischenlanden und müssten anders als bislang geplant nicht in der Luft betankt werden. Nach Angaben von US-Militärstrategen haben die Israelis noch immer Schwierigkeiten damit, ihre F-15 und F-16-Kampfjets während des Flugs zu betanken.
Bei einem Start in Aserbaidschan könnten die Bomber mit deutlich weniger Gewicht abheben. Umso mehr Waffen könnten sie für ihre Angriffsflüge mitnehmen. Ein erfolgreicher Militärschlag würde damit deutlich wahrscheinlicher. „Das ist keine Garantie dafür, dass Israel Iran angreifen wird, aber es macht einen Angriff sicher einfacher“, sagte General Joe Hoar, ehemaliger Regionalkommandeur der US-Armee im Nahen Osten, der „Foreign Policy“.
Die Militärbasis Sitalcay in Aserbaidschan gilt als prädestiniert für die israelischen Pläne. Etwa 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Baku gelegen, diente das Flugfeld der Roten Armee lange als wichtiger Stützpunkt für den Kaukasus und Zentralasien. 1992 übernahm Aserbaidschan nach seiner Unabhängigkeit die Basis. Insgesamt könnten laut „Foreign Policy“ vier Armeebasen aus der Sowjetära für die Israelis in Frage kommen.
Selbst wenn keine israelischen Kampfjets in Aserbaidschan starten oder landen sollten, böte Irans Nachbarland den Israelis strategischen Nutzen. Auf den Stützpunkten könnten Helikoptereinheiten für Such- und Rettungsmissionen auf iranischem Territorium stationiert werden.
Aserbaidschans Verteidigungsminister Safar Abijew schloss bei einem Besuch in Teheran Mitte März aus, dass sein Land für einen Angriff auf Iran genutzt werden könne: „Die Republik Aserbaidschan wird niemals einem anderen Staat erlauben, seinen Boden oder seinen Luftraum für Angriffe gegen die Islamische Republik Iran zu nutzen, die wir als unseren Freund und Bruder betrachten.“ Ein Beamter des US-Militärgeheimdienstes sieht laut „Foreign Policy“ jedoch Interpretationsspielraum: Der Minister habe damit weder die Landung israelischer Flugzeuge nach Angriffen in Iran noch die Stationierung von Such- und Rettungseinheiten explizit ausgeschlossen.
Aserbaidschan unterhält als eines der wenigen muslimischen Länder seit Jahren stabile militärische, politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Israel. Der jüdische Staat ist der zweitgrößte Abnehmer aserbaidschanischen Erdöls. Und dank israelischer Militärhilfen kann die Regierung in Baku ein Waffenembargo der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) umgehen, das wegen des Konflikts mit Armenien um die Region Berg-Karabach verhängt wurde.
Erst Anfang dieses Jahres unterzeichneten Aserbaidschan und Israel ein Militärabkommen in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar. Darin sagte die Regierung von Benjamin Netanjahu die Lieferung von Drohnen sowie Luft- und Raketenabwehrtechnik zu.
Gleichzeitig sind Beziehungen der Kaukasusrepublik zu Teheran deutlich abgekühlt. Zwar sind die Aserbaidschaner ebenso wie die Iraner mehrheitlich schiitische Muslime, Baku beklagt jedoch eine Unterdrückung der aserbaidschanischen Minderheit im Nordwesten Irans. Dass der autokratisch regierende Präsident Alijew selbst die Menschenrechte im eigenen Land mit Füßen tritt, verschweigen die staatstreuen Medien in Baku geflissentlich.
Im vergangenen Jahr hoben die Behörden in Aserbaidschan eine angebliche iranische Terrorzelle aus, die von Teherans Revolutionswächtern gesteuert worden sein soll. Und erst in diesem Monat gab Baku bekannt, 22 mutmaßliche iranische Agenten dingfest gemacht zu haben, die „Anschläge gegen die Botschaften der USA, Israels und anderer westlicher Staaten“ geplant haben sollen.
Diese Entwicklungen haben den seit Jahren schleichenden Entfremdungsprozess zwischen den Regierungen Irans und Aserbaidschans in den vergangenen Monaten deutlich beschleunigt. Ob Baku deshalb seine Militäranlagen der israelischen Armee für Angriffe auf Teheran überlässt, bleibt vorerst offen. Weder israelische noch aserbaidschanische Stellen wollten „Foreign Policy“ Auskunft darüber erteilen.
Eine US-Diplomatendepesche, die 2010 von der Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlicht wurde, zitiert den aserbaidschanischen Staatschef Alijew mit den Worten: „Neun Zehntel unserer Beziehungen mit Israel liegen im Verborgenen.
Quelle: Reuters/Der Spiegel vom 29.03.2012