Gesellschaft: Der Glamour der Bosheit

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Warum meist die Unanständigen gewinnen – Oder: Warum Geld alles über„trump“ft.

Nein. in diesem Artikel geht es ausnahmsweise mal nicht um Donald Trump. Obwohl er im Hintergrund immer präsent ist. Der Fall des Harvey Weinstein, des mächtigen Hollywood-Produzenten, der jahrelang junge Schauspielerinnen auf seiner „Besetzungscouch“ zu sexuellen Handlungen zwang, bevor er ihnen Arbeit gab, rüttelte viele Menschen auf.

Er ist ja kein Einzelfall. In der Wirtschaft ist es vielmehr gang und gäbe, dass die Bosse rücksichtslos ihre Macht und ihr Geld einsetzen, um Angestellte gefügig zu machen. Eigentlich müsste das jeder wissen. Warum jedoch ist es so, dass immer gerade die Fieslinge ganz nach oben kommen, nur selten dagegen die Anständigen?

Das ist keineswegs nur ein gefühlter Eindruck von Neidbürgern, die den Reichen ihr Vermögen nicht gönnen wollen. Jeffrey Pfeffer, Professor für Organisationstheorie an der Graduate School of Business der Stanford University, hat über das Phänomen einen Fachartikel im Journal of Management Studies veröffentlicht.

Mit einem ganz und gar nicht sachlich-fachlich klingenden Titel: „Why the Assholes are Winning: Money Trumps All“ („Warum die Arschlöcher gewinnen: Geld übertrumpft alles“). Man beachte das Wortspiel: „to trump“ – „übertrumpfen“ (Gesellschaft: Zerrissene Jeans und das Ende des gesunden Menschenverstandes).

Es weist auf jemanden hin, der auch gemeint ist, ohne ihn direkt zu nennen. Der renommierte Professor kommt zu einem überraschenden Schluss: An der Tatsache, dass meist die „Arschlöcher“ gewinnen, gibt es keinen Zweifel, und schuld daran sind – wir alle! Bosheit ist nämlich offenbar äußerst attraktiv.

Beispiele muss man nicht lange suchen. Wer von uns hat noch nie bei Amazon eingekauft? Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Internet-Handelsriese (den man kaum noch „Buchhändler“ nennen kann) nicht nur mit seinem Erfolgskonzept den klassischen Fachhandel total kaputt macht.

Für die Milliardenumsätze von Amazon bezahlen die Mitarbeiter mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Die riesigen Versandhallen sind nur unzureichend klimatisiert, zu Stoßzeiten werden Überstunden zwangsangeordnet, und wer gesundheitlich angeschlagen ist, der wird mit seiner „schlechten Performance“ bloßgestellt. In Europa kommen Saisonarbeiter zum Einsatz, die wie Sklaven interniert und von bewaffnetem Wachpersonal bewacht werden. Jeder kann das alles wissen.

Gleichzeitig konstatierte die New York Times jedoch, Amazon gehöre zu den am meisten bewunderten Unternehmen, und sein Chef, Jeff Bezos, steht im Ranking der am höchsten geschätzten CEOs immer auf einem der vordersten Ränge. Ist es der Öffentlichkeit also mehr oder weniger egal, was ein Unternehmer tut und welche Entscheidungen er trifft, solange er nur reich genug ist?

Und solange Besitz von viel Geld als ein Indiz für Kompetenz wahrgenommen wird, ist Reichtum auch ein Suchtmittel. Je mehr jemand besitzt, desto mehr strebt er danach, noch mehr zu besitzen, koste es, was es wolle. Der Normalbürger pflegt schädliches oder gar unmoralisches Verhalten der Reichen zu rationalisieren, also seiner Gefühlswelt zu entziehen und es so für sich akzeptabler zu machen.

Hierfür fand Prof. Pfeffer folgende Hauptursachen:

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Die Suche nach „gespiegeltem Ruhm“

Das bedeutet: Jeder Mensch ist bestrebt, seinen eigenen gesellschaftlichen Status zu erhöhen und sein Selbstbewusstsein zu steigern. Indem man einer Erfolgsperson Respekt zollt, entsteht die Illusion, zu den Unterstützern zu gehören, wenn nicht gar, „einer von denen“ zu sein. Indem man sich mit dem Status eines erfolgreichen Menschen assoziiert, erhöht man gleichzeitig den eigenen – gefühlten – Status.

Wenn es tatsächlich gelingt, in den Kreis eines erfolgreichen Machtmenschen einzudringen, dann ist der Preis dafür in der Regel bedingungslose Gefolgschaft, ohne Fragen zu stellen, will man nicht gleich wieder gefeuert werden.

Die Illusion einer gerechten Welt

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Untersuchungen ergaben, dass die meisten Menschen unterschwellig der Meinung sind, die Welt sei ein Ort, an dem es gerecht und fair zugeht. Dieser Glaube entsteht aus dem Wunsch nach Kontrollierbarkeit. Wenn es in der Welt Regeln gibt, die jeder konsequent und fair einhält, besteht die Chance, für das eigene Leben berechenbare Prognosen zu erstellen.

Um diesen Glauben aufrechtzuerhalten angesichts immer klarerer Beweise dafür, dass skrupellose Menschen das Sagen haben, für die es keine Regeln zu geben scheint, ist es notwendig, den Erfolg und die akzeptablen Wege, um ihn zu erreichen, neu zu bewerten. Andererseits bekommen Menschen, die im Leben Misserfolge haben, selbst wenn sie darauf gar keinen Einfluss hatten, immer das Etikett angeheftet, sie hätten es „nicht besser verdient.“

Das typische Vorgehen der Neoliberalen: Man zeigt Sozialhilfeempfängern Bilder vom Luxus der Reichen, mit dem Unterton – wenn du das nicht auch hast, dann warst du eben nicht schlau oder fleißig genug. Wenn umgekehrt Erfolgsunternehmen wie Amazon positiv bewertet werden, dann hört man fast nie über die Ausbeutung von Mitarbeitern, sondern eher davon, wie „innovativ“ das Unternehmen sei.

Dem „selbstverschuldeten“ Versager wird der Erfolgsmensch gegenübergestellt, der sich seinen Reichtum „redlich verdient“ habe.

  

Neubewertung der Wahrnehmung

Punkt 1 und 2 bilden einen Widerspruch. Wenn ein Mensch an eine gerechte Welt glaubt und gleichzeitig glaubt, ganz offensichtlich ungerecht handelnde Personen unterstützen zu müssen, um seinen eigenen Status zu erhöhen, so gerät er in ein Dilemma. Man will den „Schweinehund“ weiterhin unterstützen, selbst aber kein „Schwein“ sein.

Da heraus kommt man nur, indem man das Verhalten der Erfolgsmenschen neu bewertet (Gesellschaft: Intelligenz und Nachdenken ist uncool! Stattdessen ist Gewalt und Dummheit angesagt).

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Literatur:

Idiocracy

Die ganze Wahrheit über alles: Wie wir unsere Zukunft doch noch retten können

Etwas mehr Hirn, bitte: Eine Einladung zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen

Quellen: PublicDomain/matrix3000.de am 07.04.2018

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