Wladimir Putin erteilt den anwesenden vierzehn internationalen Nachrichtenagenturen Staatsunterricht.
Im zweiten Teil der Serie stellen die Chefs der kasachischen, spanischen, türkischen und belarussischen Nachrichten Agenturen ihre Fragen an den russischen Staatspräsidenten. 19.6.2025 – Das neunte Treffen internationaler Nachrichten Agenturen in St. Petersburg mit W. Putin.
(Titelbild: M. Guzman (li) moderierte die Fragestunde mit den Chefs der 14 weltweit wichtigsten Nichtrichten-Agenturen – Putin im Bild)
M. Guzman: Wladimir Wladimirowitsch, wie Sie wissen, pflegen wir seit vielen Jahren eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Freunden der kasachischen Medien und stehen mit diesen in regelmäßigem Kontakt.
Vor einiger Zeit hat der geschätzte Präsident Kasachstans, Qassym-Schomart Kemeluly Toqajew, einen großen Fernseh- und Radiokomplex gegründet, zu dem auch die Nachrichtenagentur Kazinform mit eigenen Verbindungen gehört.
Unser Freund und Kollege, Askar Dzhaldinov ist heute hier bei uns: Er leitete Kazinform und ist jetzt stellvertretender Direktor des Fernseh- und Rundfunkkomplexes, leitet aber weiterhin die Informations-Redaktion.
Ich möchte ihm das Wort erteilen.
A. Dzhaldinov: Vielen Dank für die Einladung, Wladimir Wladimirowitsch!
Ich habe eine Frage an Sie. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Russland entwickelt sich weiterhin positiv. Was könnten unsere Länder Ihrer Meinung nach tun, um die weitere Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu fördern, insbesondere angesichts der globalen Herausforderungen?
W. Putin: Wir unterhalten besondere Beziehungen zu Kasachstan – das ist offensichtlich und für jeden erkennbar. Wir haben ein Bündnis im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere gemeinsame Geschichte als Teil eines einzigen Staates sowie die zahlreichen zwischenmenschlichen und humanitären Kontakte zwischen den Menschen sind von großer Bedeutung.
Kasachstan ist sowohl Mitglied der CSTO [Organisation des Vertrages kollektiver Sicherheit], unserer Verteidigungsstruktur, wie auch Mitglied der [Eurasischen] Wirtschaftsgemeinschaft. Wir arbeiten mit Kasachstan im Rahmen der SCO [Shanghai Cooperation Organisation] und anderer Organisationen zusammen. All das ist sehr wichtig, weil es die Voraussetzungen zur Entwicklung der Zusammenarbeit auf den für uns wichtigsten Bereichen schafft.
Ich möchte noch etwas zum Bereich Energie sagen: Das war schon immer einer unserer Schwerpunkte. Wir erwägen derzeit eine Ausweitung unserer Energie- und Gaslieferungen. Bekanntlich war in der Sowjetunion die Gasinfrastruktur so ausgelegt, dass ein Teil der Energieressourcen von Russland nach Kasachstan geliefert wurde. Traditionell wurden die Energieressourcen im Rahmen des einheitlichen Staates aus Russland geliefert. Dies tun wir auch weiterhin. (Deutscher Wirtschaft steht das Wasser bis zum Hals – 200.000 Unternehmensschließungen)
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Wir diskutieren inzwischen mit dem Präsidenten Kasachstans die Möglichkeit, die Zusammenarbeit im Energiebereich auszuweiten. Wir überlegen, wie wir gemeinsam Märkte von Drittländern beliefern und Logistikrouten zur Lieferung von kasachischem Öl organisieren könnten. Zurzeit wird der größte Teil der kasachischen Ölexporte über die Russische Föderation abgewickelt.
Dies geschieht über das CPC-System – das Kaspische Pipeline-Konsortium – und andere Kanäle. Fast das gesamte kasachische Öl wird über Russland exportiert. Wir verstehen jedoch, dass Kasachstan an einer Diversifizierung interessiert sei. Wir sind bereit, dies helfend zu unterstützen. Wir arbeiten bezüglich der Belieferung von Europa zusammen bzw. haben bisher diesbezüglich zusammengearbeitet.
Wir kooperieren in Bezug auf die Erforschung des Weltraums. Dabei geht es nicht nur um die Nutzung des Kosmodroms Baikonur. Es geht auch um die Entwicklung von Satellitenkonfigurationen und gemeinsamer Weltraumforschung.
Wir pflegen derzeit unseren Handelsumsatz, der stetig wächst – fast 95 Prozent in Landeswährung. Das ist ein sehr guter Indikator: Es ermöglicht uns, das Wachstum unseres Handelsumsatzes trotz aller Schwierigkeiten beim Geldtransfer mit gegenseitigen Zahlungsströmen für Waren und Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.
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Ganz zu schweigen von unseren Beziehungen im humanitären Bereich und im Bildungswesen: Diese entwickeln sich ausgesprochen aktiv. Ich hoffe sehr, dass dies so bleibt: Qassym-Schomart Kemelewich ist ein Mensch, der die Bedeutung der Beziehungen zu Russland für Kasachstan sehr gut versteht. Wir wissen das sehr zu schätzen. Wir reagieren darauf und werden auch weiterhin darauf eingehen.
Schließlich arbeiten wir im Bereich der Strafverfolgung gemeinsam daran, allen Bedrohungen durch organisierte Kriminalität und Terrorismus entgegenzuwirken. Wir halten dies für sehr wichtig. Ich habe bereits erwähnt, dass wir Mitglieder einer Verteidigungsorganisation – der CSTO – sind. Hier arbeiten unsere Verteidigungsministerien kontinuierlich und sehr effektiv zusammen.
Ich möchte betonen, dass diese Aktivitäten niemals gegen Drittländer gerichtet waren und auch heute nicht gegen solche gerichtet sind. Es geht lediglich darum, die Sicherheit in unserer Region zu gewährleisten, da wir viele Faktoren zu beachten haben, darunter auch die Lage in Afghanistan. Kasachstan hat zwar keine gemeinsame Grenze mit Afghanistan, aber andere Länder haben eine und wir sind uns der Infiltration terroristischer Gruppen in diese Nachbarländer innerhalb der vergangenen Jahre bewusst.
Schließlich haben wir zwischen Russland und Kasachstan, die längste Staatsgrenze der Welt. Das ist für uns von Bedeutung und hat einen Zweck: Wir werden unsere Beziehungen auch in dieser Hinsicht weiter ausbauen. Daher möchte ich noch einmal betonen, dass Kasachstan zweifellos eines der uns am nächsten stehenden Länder und unser Verbündeter ist.
Ich sehe keine Faktoren, die der Entwicklung unserer Beziehungen entgegenstehen – überhaupt keine: Wir werden weiterhin neue Bereiche der Zusammenarbeit erschließen. Wie Sie vielleicht wissen, treffen wir uns regelmäßig mit Qassym-Schomart Toqajew: Er besucht uns und ich besuche Kasachstan sehr gerne. Unsere Regierungen und Außenministerien stehen in ständigem Austausch und arbeiten zusammen.
A. Dzhaldinov: Vielen Dank!
M. Guzman: Vielen Dank, Wladimir Wladimirowitsch.
Zu meiner Rechten sitzt unser geschätzter Kollege und Freund von der spanischen Nachrichtenagentur EFE, Manuel Sanz Mingote, den Sie bereits kennen. Er ist in Spanien nicht nur als hervorragender Journalist, sondern auch als Experte für Geschichte und Philosophie bekannt und ein sehr beliebter Dozent. Daher möchte ich ihn bitten, Ihnen eine Frage, auf die er schon lange gewartet hat, zu stellen. Bitte sehr!
M.Sanz Mingote: Zunächst möchte ich mich meinen Kollegen anschließen und Ihnen für die Einladung, die Gastfreundschaft von TASS und Ihrem direkten Austausch mit den Nachrichtenagenturen, danken.
In wenigen Tagen findet bekanntlich ein NATO-Gipfel statt. Ein Thema zur Diskussion wird sein, dass Europa über Aufrüstung nachdenkt und plant, mehr für sein Militär auszugeben. Meine Frage ist ganz einfach: Wenn Sie die Gelegenheit hätten, vor den Mitgliedern dieser Organisation zu sprechen, was:
würden Sie diesen sagen,
wäre Ihre Botschaft
wäre das Ziel?
Betrachten Sie besagte Aufrüstung der NATO als Bedrohung für Russland?
W. Putin: Wir betrachten eine Aufrüstung der NATO für die Russische Föderation als keinerlei Bedrohung, da wir in Bezug auf unsere eigene Sicherheit autark sind und unsere Streitkräfte und Verteidigungsfähigkeiten ständig verbessern. Was auch immer die NATO unternimmt, das schafft natürlich gewisse Bedrohungen:
Doch, wir werden alle Bedrohungen, die entstehen würden, neutralisieren: Daran besteht kein Zweifel!
Erstens: In diesem Sinne macht jegliche Aufrüstung mit Erhöhung der Budgets auf fünf Prozent vom BIP der NATO-Staaten keinen Sinn.
Zweitens: Leider – wie wir alle wissen – sind im Laufe der Jahrhunderte und über längere Zeiträume hinweg, Fragen in Bezug auf eine Bedrohung durch Russland im Westen immer wieder aufgetaucht.
Es kam westlichen Eliten gelegen, ihre Innenpolitik auf Grundlage einer imaginären Bedrohung aus dem Osten darzustellen, um laufend Geld von ihren Steuerzahlern abzukassieren und ihre eigenen wirtschaftlichen Fehler mit der Bedrohung aus dem Osten rechtzufertigen. Wollten wir die Geschichte gemeinsam durchgehen, würden wir herausfinden, dass dieses Thema immer wieder Teil der aktuellen Agenda war.
Es ist klar, dass die aktuelle Krise in den Beziehungen zwischen Russland und Westeuropa im Jahr 2014 begann:
Das Problem ist jedoch nicht, dass Russland die Krim annektierte, sondern dass westliche Länder zum Staatsstreich in der Ukraine beigetragen haben!
Wir haben es schon oft gehört: Man muss sich an die Regeln halten! Nach welchen Regeln? Was sind das für Regeln, indem drei Staaten – Frankreich, Deutschland und Polen – nach Kiew kamen und als Garanten ein Abkommen zwischen der Opposition und den Behörden unter Präsident Janukowitsch unterzeichneten? Drei Staaten und deren Außenminister hatten es unterzeichnet.
Ein Kollege aus Deutschland, Herr Steinmeier, der damals Außenminister war, war mit mir zugegen und hat [das Abkommen] mitunterschrieben. Doch, wenige Tage später hat die Opposition einen Staatsstreich inszeniert und niemand hat auch nur mit der Wimper gezuckt, als wäre nichts geschehen. Doch, dann hörten wir: „Wir müssen uns an die Regeln halten!“ Von welchen Regeln spricht man? Was schlägt man vor? Man lässt Regeln für andere aufstellen, aber sie haben nicht vor, sich selbst daran zu halten, oder?
Wer möchte nach solchen Regeln nur leben?
Damit nahm die Krise ihren Anfang. Aber nicht, weil Russland aus einer Position der Stärke heraus handelte, sondern weil diejenigen, die wir zuvor als unsere Partner bezeichnet hatten, aus einer Position der Stärke heraus agierten. Und die vormalige stellvertretende US-Außenministerin, Frau [Victoria] Nuland [„fuck the EU“], hat, so erinnere ich, ausdrücklich erklärt: „Wir haben fünf Milliarden Dollar [für den Staatsstreich] ausgegeben und keinerlei Absicht, nachzugeben!“
Fünf Milliarden US-Dollar für einen Staatsstreich – was für eine Offenbarung!
Unsere westlichen Partner haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion immer von einer Position der Stärke aus gehandelt. Der Grund dafür ist klar und ich habe darüber geschrieben:
Die Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg basierte auf einem Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Siegern. Mit Auflösung der Sowjetunion verschwand jedoch einer der Sieger-Staaten. Infolgedessen begannen die westlichen Mächte, die Regeln neu zu formulieren. Von welchen [neuen] Regeln sprechen wir?
Nach der Krim begannen sich die Ereignisse im Südosten der Ukraine zu überschlagen. Was unternahm man? Im Südosten haben die Menschen diesen Staatsstreich [2014 in Kiew] nicht anerkannt. Anstatt mit ihnen zu verhandeln, wurde die Armee gegen sie in Marsch gesetzt. Wir haben das beobachtet, zugesehen und versucht, eine Einigung zu erzielen – acht Jahre lang, verstehen Sie das? Es waren nicht nur fünf Tage:
Acht Jahre versuchten wir, eine Einigung zwischen Kiewer Behörden, deren primäre Machtquelle auf dem Staatsstreich fußte und dem damaligen Südosten der Ukraine, der Donbass-Region, zu erzielen!
Doch, am Ende erklärten die ukrainischen Behörden, dass sie mit den Minsker Vereinbarungen nicht zufrieden seien und sie daher nicht umsetzen wollten. Wir waren acht Jahre lang geduldig – stellen Sie sich das vor?
Aber es lief bedauerlich für die Menschen, die acht Jahre lang schikaniert worden sind. Letztendlich schikanieren sie immer noch die russisch-orthodoxe Kirche und die russischsprachige Bevölkerung: Alle tun so, als würden sie das nicht bemerken!
Letztendlich haben wir die Entscheidung getroffen, diesen Konflikt zu beenden – ja, mit Hilfe unserer Streitkräfte. Was bedeutet das? Planen wir Osteuropa oder sonst etwas angreifen? Ein berühmter Nazi-Propagandist sagte einmal:
Je unglaublicher eine Lüge ausfällt, umso mehr Leute glauben sie!
Dieser Mythos, dass Russland plant, Europa und die NATO-Länder anzugreifen, ist eine unglaubliche Lüge, die verbreitet wird, um die Menschen aus Westeuropa das glauben zu lassen. Wir verstehen, dass dies blanker Unsinn ist. Diejenigen, die diese Lüge verbreiten, glauben selbst nicht daran. Sie hier wahrscheinlich auch nicht. Glaubt irgendjemand von Ihnen, dass Russland einen Angriff auf die NATO vorbereite?
Worum geht es hier eigentlich? Wussten Sie, dass die NATO-Staaten derzeit 1,4 Billionen Dollar für Waffen [jährlich] ausgeben? Das ist mehr als alle übrigen Länder der Welt zusammen, einschließlich Russland und der Volksrepublik China. Die Zahl der Bevölkerung der NATO-Staaten liegt bei 973 Millionen. Russland hat bekanntlich etwa 145 Millionen Einwohner und nähert sich derzeit der 150-Millionen-Marke.
Wir geben eine nicht vergleichbaren Betrag für Waffen aus: Und wir wollten NATO angreifen? Was für eine lächerliche Idee! Jeder versteht, dass dies Unsinn ist. Sie täuschen ihre eigene Bevölkerung, um Geld aus ihren Haushalten abzuzweigen – fünf Prozent [vom BIP], um darüber die Fehlschläge ihrer Wirtschaften und in ihren sozialen Bereichen zu erklären.
Natürlich bewegt sich Deutschland, die führende Wirtschaft der Europäischen Union, am Rande einer Rezession. Übrigens verstehe ich immer noch nicht, warum die Bundesrepublik auf russische Energieressourcen verzichtet. Wir haben andere europäische Länder über die Ukraine beliefert und die Ukraine hat jedes Jahr 400 Millionen Transitgebühren von uns erhalten, aber aus irgendeinem Grund hat Deutschland sich geweigert, russisches Gas zu beziehen. Warum? Es gibt keine rationale Erklärung dafür:
Volkswagen stirbt, Porsche stirbt, die Glasindustrie stirbt und Düngemittelindustrie stirbt!
Wofür? Es verhält sich wie: Man würde sich eine Fahrkarte kaufen, doch nicht damit fahren, nur um dem Schaffner eines auszuwischen. Das klingt nur lächerlich!
Wenn die NATO-Staaten also ihre Budgets noch weiter aufstocken wollen, ist das ihre Sache. Allerdings wird das niemandem nützen. Es wird zusätzliche Risiken schaffen – ja, das wird es. Doch, das ist nicht unsere Entscheidung, sondern eine Entscheidung der NATO-Staaten.
Ich halte das für völlig irrational und sinnlos, zumal keine Bedrohung durch Russland besteht. Es blanker Unsinn. Dr. Goebbels hat einmal gesagt und ich wiederhole es: Je grösser die Lüge, umso mehr wird sie geglaubt! Vielleicht glaubt das jemand in Europa.
Sie sollten sich darauf konzentrieren, ihre Automobilindustrie zu retten und die Löhne zu erhöhen.
Hier finden Sie den zweiten Teil der gesamten Übersetzung der Konferenz.
M. Romanchik, Leiter der DPA | Quelle: Screenshot Kreml
Romanczyk: In erster Linie auf Fußball.
Guten Abend, Herr Präsident!
Vielen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, hier zu sein.
Der neue Bundeskanzler [Deutschlands], Friedrich Merz, sagte kürzlich, er könne sich Telefonate mit Ihnen vorstellen. Halten Sie das für sinnvoll? Möchten Sie Kontakt zum neuen Bundeskanzler unterhalten? Glauben Sie, dass Friedrich Merz ein erfolgreicherer Vermittler als Donald Trump zwischen Russland und der Ukraine sein könnte?
Vielen Dank!
Putin: Falls der Herr Bundeskanzler anrufen und sprechen möchte – ich habe das schon oft gesagt – lehnen wir keine Kontakte ab und sind immer offen dafür. Vor anderthalb Jahren – oder wie vielen: zwei? – fanden solche Gespräche mit Bundeskanzler [Olaf] Scholz und anderen europäischen Staats- und Regierungschefs regelmäßig statt. Aber irgendwann, nachdem unsere europäischen Partner beschlossen hatten, uns auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage zuzufügen, haben sie selbst diese Kontakte abgebrochen. Sie haben diese abgebrochen – bitte lassen Sie sie wieder aufnehmen. Wir sind offen, wie ich schon oft sagte.
Kann Deutschland als Vermittler in unseren Verhandlungen mit der Ukraine mehr als die Vereinigten Staaten beitragen? Ich bezweifle das. Der Vermittler muss neutral sein. Doch, wenn wir deutsche Leopard-Panzer auf dem Schlachtfeld begegnen und inzwischen darüber sprechen bzw. die Tatsache betrachten, dass die Bundesrepublik erwägt, Taurus-Marschflugkörper für Angriffe auf russisches Territorium zu liefern, und zwar nicht nur die Ausrüstung selbst, sondern auch Bundeswehrangehörige [zur Bedienung] dazu, dann stellen sich natürlich große Fragen. Jeder weiß, dass dies, falls es dazu käme, keinen Einfluss auf den Verlauf des Krieges haben werde, aber unsere Beziehungen vollständig ruinieren würde.
Daher betrachten wir die Bundesrepublik, ebenso wie viele andere europäische Länder, nicht als neutral, sondern als eine Partei, welche die Ukraine in einigen Fällen wohl als Mittäter in diesen Feindseligkeiten unterstützt!
Wenn Sie dennoch über dieses Thema diskutieren und einige Ideen vorbringen möchten, möchte ich erneut betonen, dass wir jederzeit dafür offen und bereit sind.
Romanczyk: Herr Präsident, ich möchte auf meine erste Frage zurückkommen, denn sie betrifft etwas, das in der deutschen Gesellschaft sehr aktiv diskutiert wird. Olaf Scholz hat als Bundeskanzler über die Lieferung von Taurus-Raketen debattiert. Bundeskanzler Friedrich Merz hat noch nicht öffentlich gesagt, was passieren würde, falls Deutschland Taurus-Raketen liefern würde. Wie würde die Russische Föderation darauf reagieren?
Putin: Ich habe mich dazu bereits geäußert, aber wahrscheinlich nicht klar genug, und ich entschuldige mich für meine unklare Ausdrucksweise. Wir kennen den Hintergrund unserer Beziehungen:
Wir wissen, was in den 1940er Jahren passiert ist! Wir wissen, was während des Zweiten Weltkriegs passiert ist!
Und wir wissen, wie viel Anstrengungen beide Seiten – die Sowjetunion und die Russische Föderation sowie Deutschland – unternommen haben, um die Wunden der Vergangenheit zu heilen. Das ist uns weitgehend gelungen. Das gilt für Ostdeutschland – die Deutsche Demokratische Republik –, aber auch für Westdeutschland – die Bundesrepublik.
Man denke nur daran, was Willy Brandt und seine Parteigenossen leisteten. Aber auch [Helmut] Kohl hat viel getan. Die Sowjetunion war gegen die Teilung Deutschlands:
Es war keine Initiative der Sowjetunion, Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu teilen: Wir waren dagegen!
Auf jeden Fall besteht kein Zweifel daran, die Sowjetunion und Russland 1990 eine entscheidende Rolle bei der Wiedervereinigung Deutschlands und zum Fall der Berliner Mauer gespielt haben.
Ich hoffe, dass niemand in Deutschland das vergessen hat!
Ich möchte betonen, dass der Vorsitzende des russischen Parlaments [Wjatscheslaw Wolodin] in einem Brief an seinen Kollegen in der Bundesrepublik geschrieben hat:
In der gesamten jüngeren Geschichte hat Russland keinen einzigen Schritt unternommen, der den Interessen des deutschen Volkes und der Bundesrepublik Deutschland widersprochen hätte.
Aber jetzt hat sich die Lage geändert. Ich möchte mich nicht zur Position der Bundesrepublik, die das Ergebnis der Einschätzungen vieler westlicher Länder zu den Ereignissen in der Ukraine ist, äußern. Gut, das ist eine Frage der politischen Einschätzung. Wenn wir jedoch deutschen Panzern in der Ukraine begegnen oder sogar in Kursk, wo deutsches Gerät auf russischem Boden stand, sogar in einem Teil Russlands, den Deutschland nicht als russisch in Frage stellt, dann ist das etwas anderes.
Um was handelt es sich bei Taurus? Es handelt sich um eine hochpräzise Waffe, die ukrainische Militärangehörige nicht handhaben können, dazu sind sie nicht in der Lage – das sind offensichtliche Dinge, die jeder weiss. Ohne Weltraumaufklärung ist der Einsatz von Taurus [Marschflugkörpern] unmöglich. Das können nur westliche Länder. Ohne deutsche Offiziere ist der Einsatz von Taurus unmöglich – nur deutsche Offiziere werden Taurus bedienen können.
Was bedeutet das? Es bedeutet, dass die Bundeswehr mit deutschen Waffen russisches Territorium angreifen wird. Was ist das anderes als eine direkte Beteiligung der Bundesrepublik an einem bewaffneten Konflikt mit der Russischen Föderation? Anders kann man das nicht beschreiben. Das ist jedoch nicht unsere Entscheidung und wir wollen nicht, dass dies geschieht. Falls die Führung der Bundesrepublik diese Entscheidung trifft, dann werden wir diese akzeptieren müssen.
Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen, aber dies würde unseren Beziehungen sicherlich schweren Schaden zufügen und ich drücke mich noch sehr milde aus!
Doch, es wird keinen Einfluss auf den Verlauf des Krieges nehmen, da die russischen Streitkräfte auf allen Bereichen im strategischen Vorteil sind. Egal, was Leute sagen, doch unsere Truppen rücken an der gesamten Front – jeden Tag, einmal mehr oder einmal weniger – vor, doch sie kommen täglich voran. Und weitere Vorstöße sind unvermeidlich, selbst wenn Taurus-Marschflugkörper eingesetzt würden. Das heißt, Sie werden die Beziehungen zu Russland zerstören, doch auf das Schlachtfeld wird es keinen Auswirkungen haben.
Das ist letztlich die Entscheidung der deutschen Führung, gleichwie sie über das Mandat des deutschen Volkes verfügt!
Sie wissen, was dort vor sich geht – ich meine an der [ukrainischen Front]. Ich hoffe, Sie wissen das. Vielleicht können Sie aus politischen Gründen nicht allen alles objektiv berichten, aber jeder weiß es. Ich hoffe, dass Ihre Mitarbeiter, die dort arbeiten, alles sehen können.
Die ukrainischen Streitkräfte haben ihre Haupteinheiten nur noch zu 47 Prozent besetzt – ihre Angriffseinheiten mit sogar noch weniger. Und wie geht das weiter? Was kommt als Nächstes? Es geht nicht einmal darum, ob westliche Länder Waffen liefern oder nicht. Das ist natürlich wichtig. Doch, sobald der Personalstand unter 50 Prozent fällt, gelten die entsprechenden Einheiten einfach als kampfunfähig und kampfuntauglich. Dort [in der Ukraine] findet eine Massen- & Zwangsmobilisierung statt. Sie wissen wahrscheinlich davon.
Ich verstehe, dass Sie aus politischen Gründen zum Schweigen gezwungen sind, aber ich hoffe, Sie sind sich dessen bewusst!
Man hat zugestimmt, 1.500 achtzehnjährige Burschen zu rekrutieren, aber ich glaube, sie haben nur 1.000 zusammenbekommen. Davon sind 500 von ihnen einfach desertiert. Die Zahl der Deserteure steigt rapide an. Die Verluste übersteigen die Zahl der Mobilisierten. Das ist es und was kommt als Nächstes?
Deshalb sagen wir: „Lasst es uns tun – lasst uns eine Einigung erzielen, lasst uns an den Verhandlungstisch zurückkehren. Wir haben 2022 in Istanbul die Bedingungen für ein Abkommen, welches viel milder als jetzt war, angeboten. Die Lage hat sich geändert und wird so bleiben, wie sie ist. Wir sind jedoch weiterhin bereit, auf der Grundlage der in Istanbul dargelegten Prinzipien zu verhandeln. Wenn sie sich weigern zu verhandeln, könnte sich die Lage für sie verschlechtern. Es gibt keinen Grund das verzögern – wir sollten uns an den Verhandlungstisch setzen!“
Ich erfinde das nicht, glauben Sie mir, das sind absolut objektive Informationen. Die Einheiten [der Ukraine] sind nur noch zu 47 Prozent besetzt. Es ist völlig irrelevant, ob die Taurus-Marschflugkörper geliefert würden oder nicht. Aber denken Sie mal darüber nach:
Besteht die Notwendigkeit die Taurus-Marschflugkörper wirklich zu liefern, um die russisch-deutschen Beziehungen komplett zu begraben?