Die Occupy-Idee lässt sich nicht räumen

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Das Occupy-Camp an der EZB in Frankfurt wird geräumt, die ersten Abgesänge auf die Occupy-Bewegung sind bereits gesungen. Dabei finden sich Spuren, die zeigen: Die Botschaften sind in den Köpfen der Menschen. Die Debatte geht weiter.

Die Camps verschwinden. Ob in Kiel oder Münster, Berlin oder Düsseldorf, die Zeltlager mussten weichen. Nun ist auch Frankfurt dran. Jenes Camp mit so hoher symbolischer Bedeutung, weil es direkt vor der Europäischen Zentralbank lag. Die sichtbare Besetzung der Bewegung, die im Herbst 2011 in New York ihren Anfang nahm, verschwindet. Der Staat reagierte drastisch, zum Teil mit martialischer Kontrolle, beobachtet der Bielefelder Soziologe und Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer. „Das ist die praktizierte staatliche Verlängerung des autoritären Kapitalismus. Und das Signal gerade an junge Leute ist klar: ‚Bewegt euch ja nicht! Sonst kriegt ihr richtig Ärger.‘

Wie steht es also um Occupy? Ist mit den Camps auch die Bewegung am Ende? Oder muss man sie schlicht woanders suchen?

Sicher, die Demonstrationen mit zehntausenden Teilnehmern gehören der Vergangheit an. Aber Occupy ist durchaus noch zu finden, noch immer gehören zu ihr völlig unterschiedliche Teilnehmer und Ideen. Kein Wunder, will die Bewegung doch für 99 Prozent der Bevölkerung stehen. Es existieren längst unzählige Untergruppen, in Frankfurt heißen sie etwa „Occupy Money“, die über alternative Geldsysteme nachdenken, oder „Occupy Public Space“, die Kunstaktionen in der Öffentlichkeit machen.

Die Bilder bleiben in den Köpfen

Die Forderungen von Occupy sind den Menschen bewusst, meint der Autor von „Occupy Economics“, Florian Josef Hoffmann. Darum sind die Räumungen auch kein Problem. Den Aktivisten „kam es darauf an, dass die Bilder in den Köpfen bleiben“. Das hat Occupy geschafft – die Bewegung kanalisiert ein tiefes Unbehagen der Menschen. Angesichts der immer stärkeren Ungerechtigkeit, weil immer weniger immer mehr haben.

Angesichts der Unsicherheit um den Euro. Angesichts der Probleme und Missstände im Finanz-sektor. „Alle wissen, dass der Euro wackelt. Es wird in Billionen gerechnet, obwohl niemand eine Vorstellung von Milliarden hat“, sagt Hoffmann. Als in Berlin im September die Menschen auf die Straße gingen, konnte selbst Angela Merkels Sprecher feststellen, dass sich im Protest „eine tiefe Sorge“ ausdrückt und „ein berechtigtes Gerechtigkeitsverlangen der Menschen.“

Zur Erinnerung: Ihren Anfang nahm Occupy bei Adbusters aus Kanada. Die Kommerz-Kritiker (die sich aktuell einen „Tag ohne Coca-Cola“ wünschen) riefen zu einem Protest an der Wall Street auf. Die Banken sollten zur Rechenschaft gezogen, Ungerechtigkeit und Ungleichheit bekämpft werden. Während Superreiche den Großteil des Vermögens besitzen würden, steige die Arbeitslosigkeit, Bildung und Gesundheit würden immer teurer.

Von dort hat es Occupy in die Bücherregale und die intellektuellen Debatten geschafft. Und zwar mit provokanten Thesen, mitten hinein in den Mainstream. Das zeigt „The Occupy Handbook“ von Janet Byrne. Als Autoren darin versammelt sind Spitzen-ökonomen wie die Notenbanker-Legende Paul Volcker, Nobelpreisträger Paul Krugman oder Nouriel Roubini.

„Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“

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Die Ungleichheit bleibt zentrales Motiv, der sich die Autoren widmen. Die Mehrheit der Millionäre in den USA sei bereit, höhere Steuern zu bezahlen, schreibt Byrne. In dem Buch findet sich die Forderung nach einem Spitzensteuersatz von 50 bis 70 Prozent für Reiche.

Im Bücherregal des modernen Straßenkämpfers steht zudem „Inside Occupy“ und „Schulden – die ersten 5000 Jahre“. Geschrieben hat sie der Anthropologe und Anarchist David Graeber. „Der Staat hat beschlossen, alle seine Funktionen einzustellen, die Schulen, die Krankenhäuser und all das, und nur zwei Funktionen zu behalten, die Gewalt und die Banken“, sagt er. Auf die Finanzkrise reagierten die Machthaber mit der Rettung von Banken und drastischen Sparkursen. Graebers Idee wird gemeinhin so zusammengefasst: „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“.

Graeber bricht ein weiteres Tabu und stellt das Zurückzahlen von Schulden infrage. Als Beispiel dienen ihm Entwicklungsländer, die vom Internationalen Währungsfonds gezwungen werden, ihre Schulden zu tilgen, statt Nahrung oder Medikamente zu kaufen. Am besten sei ein System ganz ohne Schulden, meint Graeber. Ähnlich geht die Linke Sahra Wagenknecht auf die Eurokrise ein, dass die Staaten ihre Schulden schlicht nicht mehr zurückzahlen. Der Staat sollte lediglich für das Sparkonto des kleinen Mannes aufkommen.

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Auf gewisse Weise lässt sich Occupy also an vielen Stellen finden. In der Politik, die die Euro-Krise bekämpft und die europäische Integration vorantreibt. In den Wirtschafts-wissenschaften, die ihre Dogmen in Frage stellt. Und auch bei der Wurzel der Bewegung bleibt es lebendig. Die Berliner Aktivisten jedenfalls geben sich kämpferisch. Sie schreiben im Netz: „Während viele unsere Bewegung für tot erklärt haben, können wir versichern, dass wir eine frische neue Welle von Treffen, Aktionen und Kampagnen vorbereiten“.

Quellen: PRAVDA-TV/OccupyFrankfurt/fr-online vom 06.08.2012

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