Pestizid: Behörde hat Bevölkerung über Krebsgefahr im Dunklen gelassen

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Kaum ein Unkrautvernichtungsmittel ist so umstritten: Seit 2002 ist Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln erlaubt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Stoff schon länger als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Das meistverkaufte Pestizid ist in vielen Lebensmitteln nachweisbar – etwa in konventionell hergestelltem Brot und anderen Backwaren. Selbst in der Muttermilch wurde das Pflanzengift schon nachgewiesen.

Es ist ein Kampf, bei dem viel auf dem Spiel steht: Das weltweit meistverkaufte Pflanzengift Glyphosat steht kurz vor der Neuzulassung in der Europäischen Union. Für Hersteller und die Agrarindustrie geht es um ein Milliardengeschäft. Doch bevor es so weit ist, müssen die Risiken des Pflanzengifts neu bewertet werden – ein Gift, das Landwirte weltweit einsetzen, um etwa lästiges Unkraut zu vernichten. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), es soll die Verbraucher vor Gesundheitsschäden schützen und prüft die Sicherheit von Glyphosat für die gesamte Europäische Union. Nun aber muss die Behörde in einem bislang geheim gehaltenen Bericht an die europäische Kontrollbehörde EFSA einräumen, dass sie Hinweise auf deutlich erhöhte Krebsraten in einer ganzen Reihe von Tierstudien übersehen hat. Das zeigen Recherchen von MDR und Süddeutscher Zeitung.

Die Prüfer haben sich offenbar zu sehr auf Angaben der Hersteller verlassen

In dem Bericht nimmt das BfR Stellung zu einem völlig überraschenden Urteil der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Deren Krebsforscher haben das Pestizid im Frühjahr als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ eingestuft. Seitdem ist die deutsche Behörde in Erklärungsnot. Denn just Anfang April hatte diese ihren Risikobericht für die Neuzulassung von Glyphosat vorgelegt. Ergebnis der Prüfung: Der Stoff sei weitgehend unbedenklich.

Wie kommen zwei renommierte Institutionen zu so unterschiedlichen Einschätzungen? Eine wichtige Rolle spielen dabei Tierversuche an Ratten und Mäusen – und davon gibt es nicht viele, gemessen an der Gesamtzahl von Glyphosat-Studien. Insgesamt existieren sieben Langzeitexperimente an Ratten und fünf an Mäusen, die als aussagekräftig angesehen werden. Ausgerechnet in den Studien an Mäusen hat die deutsche Behörde nun deutliche Hinweise auf eine krebserregende Wirkung bei Tieren erkannt – nachdem sie diese Studien früher größtenteils anders bewertet hatte.

In dem neuen Bericht des BfR, den das ARD-Magazin „Fakt“ auf seiner Internetseite veröffentlicht hat, räumt das Amt ein, dass sich in allen fünf ausgewerteten Langzeitstudien an Mäusen signifikante Steigerungen verschiedener Tumorarten zeigten: Lymphdrüsenkrebs, Nierentumore sowie Krebs der Blutgefäße. Diese Studien, die zwischen 1983 und 2009 fertiggestellt wurden, hat das BfR in seine Glyphosat-Bewertungen einbezogen. In einer ersten Version des Risikoberichts vom 18. Dezember 2013 hatte die Behörde nur in einer Studie signifikante, also auffällige Häufungen von Lymphdrüsenkrebs gefunden. Diese Studie stufte die Behörde als nicht relevant ein, weil die vier anderen Studien keine Effekte gezeigt hätten.

Wie kann es sein, dass solch wichtige Tatsachen übersehen wurden? Kritiker vermuten schon lange, dass sich die deutschen Aufseher, die bereits Ende der Neunzigerjahre die EU-Erstbewertung des Stoffs übernahmen, zu sehr auf Informationen der Hersteller verlassen haben. Offenbar zu Recht. Denn als Begründung, warum die Krebsforscher der WHO eine Reihe signifikanter Tumorhäufungen feststellten, das BfR aber nicht, schreibt die Behörde, sie habe sich anfangs auf die statistischen Auswertungen der Studienreporte verlassen – also auf die Angaben der Industrie. Und diese Reporte der Industrie hätten einen von den Krebsforschern der WHO angewendeten statistischen Test, einen sogenannten Trendtest, nicht verwendet.

Solche Trendtests gehören eigentlich zum Standard bei der Beurteilung von Tierversuchen zu Krebs. Sie geben Auskunft darüber, ob die Effekte über alle Tiergruppen hinweg mit der Dosis ansteigen, also ein signifikanter Trend erkennbar ist. Der Toxikologe Peter Clausing, der für das pestizidkritische Netzwerk PAN arbeitet, hält es für ein Versäumnis, dass diese Tests nicht angewendet wurden: „Der Trendtest ist der von der OECD vorgegebene Standard zur Auswertung von Karzinogenitätsstudien. Ich kann nicht verstehen, warum das BfR diesen Standard nicht anwendet und sich damit zufriedengibt, was die Industrie ihr präsentiert.“ Tatsächlich hebt die OECD-Richtlinie zur Durchführung von Krebsstudien an Tieren genau diesen von der WHO angewendeten Trendtest besonders hervor.

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Alle Studien an Mäusen mit Häufungen von Tumoren unter Glyphosateinfluss

Fünf Studien an Mäusen, die zwischen 1983 und 2009 fertig gestellt wurden, hat das BfR als aussagekräftig (valide) eingestuft und in seine Glyphosat-Bewertungen einbezogen. In der ersten Version des Neu-Bewertungsberichts, datierend vom 18.12.2013, wies das BfR aber nur hinsichtlich einer dieser Studien auf statistisch signifikante Häufungen von Lymphdrüsenkrebs hin. Das war ein Langzeit-Experiment aus dem Jahr 2001an Swiss Albino Mäusen. Jetzt dagegen, nachdem die internationale Krebsforschungsagentur der WHO in Lyon (IARC) ihre Feststellung veröffentlichte, dass sich Glyphosat als sicher krebserregend bei Tieren erwies („sufficient evidence“), muss das BfR eingestehen: Auch in allen anderen Studien an Mäusen fanden sich statistisch signifikante Häufungen von Tumoren unter Glyphosateinfluss. Und zwar

1. in einer Studie aus dem Jahr 1983 an CD-1 Mäusen: Nierentumoren

2. in einer Studie aus dem Jahr 1993 an CD-1 Mäusen: Krebs der Blutgefäße (Hämangiosarkome)

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3. in einer Studie aus dem Jahr 1997 an CD-1 Mäusen: Lymphdrüsenkrebs, Nierentumoren und Krebs der Blutgefäße (Hämangiosarkome)

4. in der oben genannten Studie aus dem Jahr 2001 an Swiss Albino Mäusen: zusätzlich zu Lymphdrüsenkrebs auch Nierentumoren

5. in einer Studie aus dem Jahr 2009 an CD-1 Mäusen: Lymphdrüsenkrebs

Diese Angaben finden sich in der vom MDR veröffentlichten Stellungnahme des BfR zur IARC-Bewertung von Glyphosat auf Seite 37 ff. Und auch in der deutschsprachigen Zusammenfassung.

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Die Statistiker, die von der Industrie beauftragt wurden, haben diesen Trendtest offenbar aber nicht gemacht. Sie beschränkten sich nach Angaben des BfR im Wesentlichen auf einen paarweisen Vergleich. Bei dieser Art von Test kann den Prüfern jedoch nach Ansicht von Experten ein eindeutiger Trend verborgen bleiben. So lässt sich erklären, warum die Behörde über Jahre die Öffentlichkeit anders informierte. Das BfR betonte immer wieder: „Langzeitstudien an Ratten und Mäusen ergaben keine Anhaltspunkte für eine krebserregende Wirkung von Glyphosat.“ Diese Aussage muss die Behörde revidieren. Dabei gab es bereits bei der Erstbewertung Ende der Neunzigerjahre Hinweise auf mögliche Risiken. Denn zwei der Tierexperimente, bei denen das BfR nun einräumt, dass sie belastbare Steigerungen von Nierentumoren und Krebs der Blutgefäße zeigten, lagen damals schon vor.

All diese Fehleinschätzungen wären wohl nie ans Tageslicht gekommen, hätten sich nicht die Krebsforscher der WHO mit Glyphosat beschäftigt. Seitdem tobt ein erbitterter Streit, wer die Risiken des Wirkstoffs richtig einschätzt. Die Entscheidung in der EU über eine Verlängerung der Zulassung steht kurz bevor, spätestens im November soll eine Vorentscheidung fallen.

Die EU muss bald entscheiden, ob das Pestizid weiter eingesetzt werden darf

Trotz der neuen Erkenntnisse hält das Bundesinstitut an seiner grundsätzlichen Einschätzung zu Glyphosat fest: Ein Gefährdungspotential hinsichtlich Krebs bestehe nicht. Das BfR weiter: Es gebe insofern „kein Krebsrisiko hinsichtlich der beabsichtigten Nutzung als Herbizid“ und somit auch kein Problem bei sachgemäßer Anwendung.

Konkrete Fragen dazu wollte das BfR nicht beantworten. Stattdessen wies das Bundesinstitut darauf hin, sein Bericht läge jetzt bei der europäischen Kontrollbehörde EFSA. Er befinde sich „in der finalen Phase der gesamteuropäischen wissenschaftlichen Diskussion, die wir nicht durch öffentliche Einlassungen beeinflussen oder gar verzögern möchten“. Deshalb: keine Antwort. Die Behörde sieht auch keinen Anlass, die Öffentlichkeit über ihre neuen Erkenntnisse zu informieren. Der neue Risikobericht sollte eigentlich unter Verschluss bleiben, bis die europäische Kontrollbehörde ein Urteil über das Pestizid gefällt hat.

Tödliche Ernte: Wie uns das Agrar- und Lebensmittelkartell vergiftet

Harald Ebner, Agrarexperte der Grünen im Bundestag, hat für die Geheimniskrämerei kein Verständnis. Es müsse geklärt werden, ob das Bundesinstitut so weiterarbeiten könne, verlangt er. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert eine unabhängige Prüfung des BfR und sieht Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in der Pflicht. „Als oberster Dienstherr der Behörde steht er in der politischen Verantwortung“, sagt Weiger. Das Ministerium sieht das anders und erklärt auf Anfrage, „dass das BfR unabhängig und nicht weisungsgebunden seiner Aufgabe nachgeht“.

In Deutschland werden jedes Jahr mehrere Millionen Liter an Pflanzengiften, die auf dem Wirkstoff Glyphosat beruhen, verspritzt. Sie enthalten mehr als 5.000 Tonnen des reinen Wirkstoffs. Folge ist unter anderem, dass sich in zahlreichen Lebensmitteln Rückstände von Glyphosat befinden – was nach bisheriger Ansicht der in der EU zuständigen Behörden – unter ihnen das deutsche BfR – unbedenklich ist, doch zahlreiche Studien zeigen ein anderes Bild…

Literatur:

Meine eigene Samengärtnerei von Constanze von Eschbach

Saat der Zerstörung. Die dunkle Seite der Gen-Manipulation von F William Engdahl

Mit Gift und Genen: Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert von Marie-Monique Robin

Tödliche Ernte: Wie uns das Agrar- und Lebensmittelkartell vergiftet von Richard Rickelmann

Quellen: MDR/huffingtonpost.de/SZ vom 30.10.2015

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