„Muppetgate“: Investmentbanken fürchten Enthüllungen von Mitarbeitern

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Nach einem spektakulären Angriff auf Goldman Sachs durch einen scheidenden Top-Manager („Muppetgate“) hat der Chef von JP Morgan seinen eigenen Leuten verboten, die Schwäche des Konkurrenten auszunutzen. Tatsächlich herrscht bei allen Investment-Banken große Nervosität, dass weitere Insider gegen die Praktiken der Unternehmen zu Felde ziehen.

Nach dem spektakulären Abschiedsbrief des Derivate-Chefs von Goldman Sachs, Greg Smith (Link), in der New York Times herrscht in den Chefetagen der großen New Yorker Investment-Banken große Nervosität: JP Morgan Chef Jamie Dimon wies alle leitenden Mitarbeiter an, Angriffe auf Goldman zu unterlassen. Er schrieb, dass JP Morgan seinem Konkurrenten stets mit Respekt begegne und niemand die Schwäche des Gegners ausnutzen solle. Stattdessen solle sich jeder in der Bank auf die Stärken und Werte des eigenen Unternehmens konzentrieren.

Beobachter berichten indessen von großer Nervosität: Offenbar ist das Klima zwischen den immer besser verdienenden Bossen und den normalen Mitarbeitern äußerst angespannt. Der moralische Ton von Dimons Email lässt darauf schließen, dass die Banken alles daran setzen, ihre Führungskräfte in dieser kritischen Situation an die Zügel zu nehmen.

JP Morgans Angst dürfte auch mit einem anonymen „Whistleblower“-Brief an die Rohstoff-Kommission CFTC zu tun haben. In dem Brief behauptet ein angeblicher Mitarbeiter von JP Morgan, seine Bank und Goldman hätten im Vorjahr durch Manipulationen den Sturz des Goldpreises herbeigeführt. Während die meisten Beobachter den Brief für eine plumpe Fälschung oder einen Scherz halten, wird von vielen nicht ausgeschlossen, dass es zu weiteren öffentlichen Anprangerungen der Praktiken der Investment-Banken kommt.

Die Angst rührt von dem Schock, in dem die Wall Street nach dem Artikel Smiths in der NYT verharrt. Smith hatte seine Chefs Lloyd Blankfein und Gary Cohn direkt attackiert und einen verheerenden Verfall der Moral innerhalb von Goldman Sachs öffentlich gemacht. Blankfein und die Top-Manager hatten erst vor wenigen Wochen bei einem üppigen Aktien-Options-Programm Kasse gemacht, während immer mehr Angestellte zum Pfandleiher gehen müssen.

Smith in seiner Abrechnung wörtlich: „Es macht mich krank zu sehen, wie eiskalt die Leute darüber sprechen, ihre Kunden auszubeuten. In den vergangenen zwölf Monaten habe ich fünf leitende Angestellte gehört, die ihre eigenen Kunden als ,Muppets‘ bezeichnen, manchmal über eine interne E-Mail.“ Aufgrund der Bezeichnung der Kunden als Muppets wird der Fall in den USA bereits als Goldmans „Muppetgate“ (in Anspielung an Watergate) gehandelt.

Smith weiter über die brachialen Ausdrucksformen bei Goldman: „Man muss kein Experte sein, um zu merken: Der Junior-Berater, der still in der Ecke des Raumes sitzt und hört wie über die Kunden als ,Idioten‘, ,ihnen das Weiße aus den Augen reißen‘ und ,abkassieren‘ gesprochen wird, der wird kein guter Bürger.“

Goldman sei dazu übergegangen, den Profit über alles zu stellen und die Kunden nur noch als nützliche Idioten zu betrachten. Smith schreibt, die Aufgaben der Goldman-Mitarbeiter bestünden darin, den Leuten Produkte aufzuschwatzen, weil Goldman damit keinen Gewinn mehr machen könne; „Elefanten jagen“ – also vermögenden Anlegern Investments anzudrehen, die nicht zu ihnen passen; und vom sicheren Schreitisch aus „alle möglichen illiquiden, undurchsichtigen Produkte mit einem drei-Buchstaben-Akronym zu verkaufen“.

Diese Missstände seine für Smith der Grund, Goldman Sachs nach zwölf Jahren zu verlassen. Er betont, dass er sich sehr lange sehr wohl gefühlt habe, denn ganz anders soll es früher gewesen sein. Die Firmenpolitik sei immer sehr wichtig gewesen. „Diese drehte sich um Teamwork, Anstand, Bescheidenheit und immer das richtige für den Kunden zu tun“, sagt Smith. Allein auf diese Weise sei es möglich gewesen seit 143 Jahren das Vertrauen des Kunden zu gewinnen.

Smith, der nach eigenen Angaben zwei der weltweit größten Hedgefonds, fünf der größten Vermögensverwalter der USA und drei der bekanntesten Staatsfonds im Mittleren Osten und Asien betreut hat, sagt, das Unternehmen sei deswegen so desolat, weil nur noch der Profit zähle: „Wenn man heute genug Geld für die Firma macht (und nicht gerade ein Axt-Mörder ist) wird man in eine Position mit hohem Einfluss befördert“, schreibt Smith.

Gewissenhafte Mitarbeiter, wie sie sich der Kunde wünscht, seien höchstens in den unwichtigen Positionen zu finden sein.

Smiths Kollegen an der Wall Street fürchten nun weitere Enthüllungen. Sie sehen die Gefahr, dass die Branche insgesamt Schaden nehmen könne, und nicht nur die Reputation von Goldman Sachs nachhaltig beschädigt werde. Nich wenige außerhalb der Street wundern sich jedoch, wie es Smith zwölf Jahre lang in einem derart verkommenen Laden ausgehalten hat – und vermuten, dass es weniger moralische Gründe sind, die ihn zum Ausscheiden veranlasst haben, sondern eine der üblichen Intrigen, die zum Investmentbanking gehören wie die CDS zur Staatsanleihe.

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Quelle: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 16.03.2012

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