Deutscher Frachter „Atlantic Cruiser“ – Reederei legt Teil der Schiffsladung offen

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Der Fall ist mysteriös: Ein deutscher Frachter, verchartert an ein ukrainisches Unternehmen, ausgeflaggt nach dem Karibikstaat Antigua und Barbuda kreuzt seit Tagen durchs östliche Mittelmeer. Die Politik ist alarmiert, denn die Ladung ist heikel: An Bord der „Atlantic Cruiser“ (oben mit anderem Charternamen) sollen sich Militärgerät und Munition befinden, die trotz eines Waffenembargos für das Regime von Baschar al-Assad bestimmt wären.

Nun hat sich die Emder Reederei Bockstiegel, der das Schiff gehört, erstmals offiziell zu dem Vorwurf geäußert. Sie hat die Fracht offenbar teilweise von der Besatzung inspizieren lassen. Waffen für Syrien seien dabei nicht gefunden worden, heißt es.

„Die gegenwärtig an Bord befindliche Ladung wurde in Mumbai/Indien geladen und ist für Syrien, die Türkei und Montenegro bestimmt“, erklärte das Unternehmen in einer am Nachmittag veröffentlichten Erklärung. Nach den der Reederei vorliegenden Unterlagen handele es sich bei der für Syrien bestimmten Ladung „um Teile eines Thermalkraftwerks“, die von einem indischen Kraftwerkshersteller für das Ministerium für Elektrizität in Syrien bestimmt seien. Es gebe keine Hinweise darauf, dass es sich um Waffen oder schweres militärisches Gerät handeln könne. Der Chartervertrag mit der ukrainischen Firma sehe vor, dass mit dem Schiff nur „lawful cargo“ transportiert werden dürfe – also Ladung, deren Transport nicht gegen Gesetze verstoße.

Doch es bleiben Fragen. Zwar ist in der Erklärung ausführlich über den Inhalt der Fracht für Syrien zu lesen, die Ende vergangener Woche im Hafen von Tartus gelöscht werden sollte. Allerdings lässt die Reederei unerwähnt, was sich in der Ladung für die Türkei und Montenegro befindet.

Dagegen, dass es sich bei der Ladung des Schiffes nur um zivile Güter handelt, wie ursprünglich angegeben, sprechen die Angaben, die der Kapitän der „Atlantic Cruiser“ sowohl vor der Durchfahrt des Suez-Kanals machte, wie später noch einmal vor einem geplanten Tank-Stopp auf Zypern. Er transportiere Ladung der Gefahrgutklassen „UN 0105, 0030, 0029 und 0065“, gab er an – was Kürzel sind für Sprengstoffe und elektrische sowie andere Zündvorrichtungen. Daraufhin lehnte die zyprische Firma die Treibstoffversorgung ab: Das Schiff könne nicht nach Zypern kommen „wegen des Embargos für Munition, die nach Syrien gehen soll“.

Desweiteren scheint es Unklarheiten über Ladung und Zielorte des Schiffes zwischen der Reederei, deren Befrachtungsunternehmen C.E.G. Bulk Chartering sowie dem ukrainischen Charterer zu geben, der die „Atlantic Cruiser“ derzeit gemietet hat. Nach Angaben von Torsten Lüddeke von C.E.G. Bulk Chartering stehen in den Ladepapieren lediglich zivile Güter wie „Pumpen und ähnliche Dinge“. Laut dem ukrainischen Charterer White Whale Shipping enthält die Ladung durchaus „dangerous cargo“, etwa Munition. Die sei aber „für die Türkei und Montenegro bestimmt“, nicht für Syrien, „das überhaupt gar nicht angelaufen“ werde, schrieb White Whale Shipping in einer E-Mail am Wochenende. Nach Angaben des eigentlichen Besitzers des Schiffes wiederum, der Reederei Bockstiegel, sollte Tartus sehr wohl angelaufen werden – aber nur zum Entladen jener Kraftwerksbauteile, die in der Erklärung genannt werden.

Die Bundesregierung will den Fall schleunigst aufklären. Der Verdacht, ein deutsches Schiff habe das europäische Waffenembargo gegen Syrien unterlaufen sollen, ist diplomatisch äußerst unangenehm. Um die Aufklärung voranzutreiben, hat das Auswärtige Amt seine Botschaften in Nikosia, Beirut und Ankara angewiesen, die Gastregierungen in die Angelegenheit einzubinden.

Noch immer hat das Schiff keinen Hafen angesteuert, es soll dem Vernehmen nach in Kürze im türkischen Iskenderun festmachen. Der Frachter war am Freitag vergangener Woche vor der syrischen Küste gestoppt worden, steuerte anschließend um und fuhr für einige Zeit im Kreis. Grund für die Notbremse war die Warnung syrischer Oppositioneller, dass sich an Bord Militärgerät befinde.

„Die Reederei wurde aufgefordert, Syrien nicht anzulaufen, anderenfalls werde das Schiff angegriffen und vor Ankunft versenkt“, heißt es in der Erklärung des Unternehmens. Absender sei die Organisation „Syrian Revolution Naval Forces“ gewesen.

Rätselhaft bleibt, warum das Schiff nur unregelmäßig ortbar ist. Immer wieder, zuletzt an diesem Montag, deaktiviert die Besatzung das automatische Identifizierungssystem, was in der Szene als ein äußerst ungewöhnlicher Schritt gewertet wird. Die Reederei verteidigt die Maßnahme mit dem Hinweis, die Besatzung wolle sich damit schützen und verhindern, „dass das Schiff angegriffen wird“.

Die Begründung mutet jedoch seltsam an. Immerhin wartete das Schiff am Wochenende volle eineinhalb Tage vor der syrischen Küste, bevor es wieder Fahrt aufnahm Richtung Türkei.

Quelle: dpa/Der Spiegel vom 16.04.2012

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