Griechen sparen mit Skalpell und Bohrer

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Nirgends drängen Griechenlands Kreditgeber mehr aufs Sparen als im Gesundheits-bereich. In Spitälern wird im doppelten Sinn operiert.

Glücklich ist hier niemand. Es wird gekürzt, geschnitten, amputiert, wenn es sein muss, und auch zusammengenäht. Jeder tut nur seine Pflicht: Die Ärzte, der Minister, auch die Patienten, die kommen und ihre fünf Euro für die Behandlung zahlen, weil sie sich einen Besuch beim Hausarzt schon nicht mehr leisten können. „Georgios Gennimatas“, Athens allgemeines Krankenhaus, gleich gegenüber dem Verteidigungsministerium, ist auch der Operationstisch der Nation. Nirgendwo muss auf Anordnung von Griechenlands Kreditgebern mehr Geld eingespart werden als im Gesundheitsbereich.

„Ich bin empört. Wie sonst soll ich das denn finden?“, sagt Ioannis Konstantopoulos, ein junger Pathologe. „Die Frage ist, ob die Opfer, die wir bringen, zu etwas führen.“ Sie führen zu nichts. Davon sind sie überzeugt im „Gennimatas“ – die Ärzte in ihren Besprechungszimmern und die Patienten draußen auf den Gängen, die ihre Stunden auf den Sitzgarnituren mit dem Plastikleder absitzen, den Becher Eiskaffee immer in Griffweite. „Bis Dezember, Januar geht das noch so. Dann ist das Land pleite“, sagt der Pathologe.

500 Euro weniger

Konstantopoulos ist 35 und hat eine Sturmfrisur. Ein Mann unter Strom. Auf 1500 Euro im Monat ist der Arzt gestutzt worden, inklusiv acht Tage Notdienst, 24 Stunden lang. 500 Euro Gehalt haben sie ihm genommen. “ Horizontaler Schnitt“ nennen die griechischen Politiker diese Technik: Eine Grenze ziehen bei Gehältern oder Pensionen und dann mit chirurgischer Präzision abtrennen, was über der Einkommenslinie steht, gleichgültig ob arm oder reich, alleinstehend oder mit drei Kindern, die versorgt sein wollen. Es ist das, was Griechenlands Politiker 2010, im ersten Jahr des Sparprogramms, in einem Anfall von Panik und unter massiven Druck der Europäer exekutierten und was sie nun auf keinen Fall mehr machen wollen, so beteuern sie jeden Tag. Oder möglichst nicht mehr.

Giorgios Gennimatas war ein beliebter Politiker mit vielen Ideen. Die Pasok hat er nach dem Sturz der Junta mitgegründet, war viele Male Minister unter dem Sozialisten Andreas Papandreou und schuf das nationale Krankenversicherungssystem. Das Gennimatas-Spital ist nach ihm benannt. Mit Andreas Papandreou aber, so sagen die Griechen heute, hat alles begonnen: der Schlendrian, die Vetternwirtschaft, die Scheinbehörden mit viel Geld und ohne Auftrag.

„Kann nichts mehr kürzen“

„Es gibt kein Potenzial mehr, man kann nichts mehr kürzen“, erklärt Christos Zamis. Er hat Zähne gebohrt, gefüllt, gerissen – 35 Jahre lang. Im 36. Berufsjahr ist er als stellvertretender Krankenhausdirektor geholt worden, als Einspar-Manager im „Gennimatas“. Der Gesundheitsminister hat Zamis eine Zahl gegeben, und dann hat sich der Arzt an die Arbeit gemacht: 20 Millionen Euro hat er aus dem Krankenhaus geholt, fast ein Viertel des früheren Budgets. Bei den Ausgaben für Medikamente, Material, Patienten- und Kantinenessen hat der Zahnarzt Zamis tief gebohrt. Den „horizontalen Schnitt“ bei den Personalkosten erledigte das Arbeitsministerium.

Die Kreditvereinbarungen vom Frühjahr sehen noch viel Potenzial in den Kranken-häusern. Kürzungen im Gesundheitsbereich nehmen den größten Teil des Memorandums ein. Der weitere Ersatz von Medikamenten durch billigere Generika und die Zusammen-legung von Spitälern sind solche Vorgaben, die Ersparnis bringen sollen. Christos Zamis beugt sich nur ungern der Aufgabe. „Es war schlimm, dass wir in diesen Mechanismus von EU und IWF gekommen sind“, sagt er und spricht nicht als Direktor, sondern „als griechischer Bürger“.

Draußen auf dem Gang wartet Alberto Eskenasi, ein Theatermann, mit seinem verletzten Sohn. Die Zukunft? „Es wird so weitergehen, die Leute werden Opfer bringen, und wir werden weiter untergehen.“

Quellen: Reuters/derstandard.at vom 07.08.2012

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