Skandal: Erdbebenforscher sollen ins Gefängnis

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Im Prozess um das verheerende Erdbeben im italienischen L’Aquila im April 2009 hat die Staatsanwaltschaft vier Jahre Haft für sieben Wissenschaftler wegen fahrlässiger Tötung gefordert. Die Analyse der angeklagten Experten kurz vor dem Beben sei „unzureichend und untauglich“ gewesen, sagte Staatsanwalt Fabio Picuti in L’Aquila laut italienischen Medien.

Die Kommission renommierter Wissenschaftler war sechs Tage vor dem Beben mit mehr als 300 Toten zu dem Schluss gekommen, dass die Reihe von Erdstößen in der Region auf kein besonders erhöhtes Erdbebenrisiko hinweise. Sie handelte damit im Einklang aller wissenschaftlicher Erkenntnisse – Erdbeben lassen sich nicht vorhersagen.

Allerdings pocht die Staatsanwaltschaft darauf, die Wissenschaftler hätten die Gefahr verharmlost: Picuti verwies in seinem Plädoyer unter anderem auf den Forscher Enzo Boschi. Der ehemalige Direktor des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) soll vor dem Erdbeben gesagt haben, dass er die Gefahr eines Erdbebens „beiseite schieben“ würde.

Laut Picuti hätten sich die Einwohner in und um L’Aquila bei einer deutlicheren Warnung besser vor dem Beben schützen können. „Wegen dieses Satzes sind Menschen gestorben“, sagte er. Die sechs Forscher und ein Beamter des Katastrophenschutzes hatten demnach lediglich auf die üblichen Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere beim Hausbau hingewiesen.

Die Analyse der Experten sei auf kriminelle Weise fehlerhaft sowie „nutzlos“ und „widersprüchlich“ gewesen, sagte Picuti weiter. Die Verteidigung will am 9. und 10. Oktober ihr Plädoyer halten. Ein Urteil wird laut der Zeitung „Il Tempo“ bis zum 23. Oktober erwartet.

Mehr als 5000 Wissenschaftler hatten zum Prozessauftakt vor einem Jahr in einem offenen Brief an Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano beklagt, dass den Angeklagten ein Strafprozess gemacht werde, obwohl die Vorhersage von Erdbeben bislang technisch unmöglich sei. Bei dem Beben am 6. April 2009 wurde das mittelalterliche Zentrum von L’Aquila in ein Trümmerfeld verwandelt. 309 Menschen wurden getötet, rund 80.000 wurden obdachlos.

Quellen: Reuters/SpiegelOnline vom 07.10.2012

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