Schottische Charmeoffensive für ein "Los von London"

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In schottischen Umfragen führen zwar Befürworter der Union – die Debatte über eine Unabhängigkeit dominiert.

Alex Salmond hat erkennbar Gewicht verloren. Federnden Schrittes strebt der Vorsitzende der schottischen Nationalistenpartei SNP durch die Reihen seiner Fraktion dem Platz in der ersten Reihe zu. Gleich beginnt im neugebauten Parlament in Edinburgh die Fragestunde, bei der sich die Opposition an Schottlands Erstem Minister abarbeiten darf.

(Foto: Alex Salmond (li.) gilt als leutselig, sympathisch. Die Leichtigkeit, mit der Schottlands Regierungschef Argumente gegen eine Unabhängigkeit vom Tisch wischt, hat dennoch viele überrascht)

Seine Vertreterin Nicola Sturgeon rückt dem Ministerpräsidenten den Sessel zurecht, dann beginnen die Angriffe sowohl der Labour-Party als auch der Konservativen. Nacheinander bombardieren Sozialdemokratin Joanne Lamont und Ruth Davidson von den Tories ihren Widersacher mit unangenehmen Fragen. Haben nicht Unternehmer-verband, Gewerkschaften, die Londoner Regierung, ja sogar EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Zweifel angemeldet an Salmonds Lieblingsprojekt, der für 2016 geplanten Unabhängigkeit Schottlands?

Haben sie. Aber der Nationalist wischt alle Einwände beiseite, verhöhnt Davidson wegen einer – sachlich völlig irrelevanten – ungeschickten Bemerkung eines Parteifreundes, tadelt Lamont für die Politik der früheren Labour-Regierung, zitiert mehrfach die eigentlich ungeliebte Daily Mail, kurzum: Er dominiert die Fragestunde souverän, immer wieder angespornt vom Applaus seiner Fraktion. Während sich die Nationalisten amüsieren, hängen die Köpfe auf den Oppositionsbänken mit zunehmender Dauer tiefer.

Wie ist es möglich, dass eine bestens in den Gesamtstaat integrierte, durch Geschichte und Tradition mit den anderen Provinzen verbundene Region sich von der Zentrale lossagen will? Draußen auf den Straßen Edinburghs patrouillieren ja keine englischen Soldaten. Schottland hat sein eigenes Bildungssystem und Gerichtswesen, genießt heute schon die Hoheit über Polizei und Justiz, weitere Autonomie ist bereits beschlossene Sache. Allerorten weht stolz das weiße Andreaskreuz auf dunkelblauem Grund; die Fahne dient auch den Geschäften zur Identitätsstiftung, die Wollpullover und Whisky an die Touristen aus aller Welt verscherbeln. Von Spannungen keine Spur. Dennoch steht den 5,3 Millionen Einwohnern im September ein Referendum über die Unabhängigkeit ins Haus. „Wir wollen lieber ein guter Nachbar als ein mürrischer Mieter sein“, pflegt der Ministerpräsident zu sagen.

Dass Schottland ernsthaft über ein Ausscheiden aus dem Gesamtstaat nachdenkt, hat sehr viel mit der Person des gelernten Ökonomen Salmond zu tun. Der leutselige Mann mit der Kartoffelnase predigt unverdrossen die Loslösung von London. Hinweise auf mögliche negative wirtschaftliche Konsequenzen tut er ab als „Bluff, Getöse und Mobbing durch das Establishment“. Umfragen geben ihm recht: Bis zu 40 Prozent erklären ihre Präferenz für den eigenen Staat, Tendenz steigend.

Eisern halten die Nationalisten an ihrer Maxime fest, stets das Positive Schottland für sich zu reklamieren. In sozialen Medien werden die Unionisten als Angstmacher denunziert. Auf den Straßen sind sie kaum präsent – es fehle das Positive, heißt es. Künstler, Schriftsteller und Entertainer trommeln für Salmond. Es scheint riskanter zu sein vorzupreschen, wenn man zum Nein-Lager zählt.

Eine Frage der Identität

Dazu kommt, dass Schottlands Privatsektor eher schwach ist, viele Menschen für regionale und lokale Verwaltungen arbeiten, mindestens indirekt also vom Regierungs-wohlwollen abhängig sind.

Aber deshalb gleich die Trennung auf Dauer? In einer Studie bezeichneten sich drei Viertel aller Schotten als „ausschließlich oder überwiegend“ schottisch. Ein Indiz für ein Zerbrechen Großbritanniens? Mitnichten, glaubt Professor Steve Reicher von der Uni St. Andrews. Die Stärke der eigenen Identität übersetze sich nicht automatisch in Unab-hängigkeitsbegeisterung.

Vor allem bei Jungen haben Nationalisten viel Arbeit vor sich. Vielleicht liegt das am Unterricht. Dort lernt man, dass die Nation im 18. Jahrhundert eine beispiellose Blüte erlebte, kurz nach der Übernahme durch London. Davon redet Salmond weniger gern.

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Quellen: AP/derstandard.at vom 14.03.2014

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