Die Nachricht von der Entdeckung eines etwa drei Kilometer großen Kraters im Roi Baudouin-Schelfeis in der Ostantarktis hat eine intensive Diskussion in der Wissenschaftsgemeinde über dessen möglichen Ursprung ausgelöst. AWI-Wissenschaftler hatten die ungewöhnliche Ringstruktur am 20. Dezember 2014 bei einem Messflug mit dem Forschungsflugzeug Polar 6 entdeckt und den Einschlag eines Meteoriten als eine mögliche Erklärung von vielen genannt.
(Foto: Luftaufnahme der ungewöhnlichen Ringstruktur. Dieses Foto wurde mit der Polar-6-Bordkamera aufgenommen, als das Flugzeug den vermeintlichen Krater in einer Höhe von rund 2300 Metern (7000 Fuß) überflog)
„Die Meldung ging schnell um die Welt und wie wir erwartet hatten, begannen Glaziologen rund um den Globus, mögliche Erklärungen zu diskutieren. Das Überraschende an dieser Diskussion war jedoch, dass sie in den Sozialen Medien stattfand – hier vor allem auf Facebook und Twitter“, sagt AWI-Glaziologe und Wissenschaftsblogger Olaf Eisen.
In einem neuen Beitrag für den AWI-Eisblog beschreiben er und das Team der WEGAS-Messkampagne nun einen weiteren möglichen Erklärungsansatz. „Doug MacAyeal, Glaziologe an der Universität Chicago, brachte den Vorschlag ins Spiel, dass es sich um eine Eis-Doline handeln könnte“, berichtet das AWI-Team. Als Doline werden eigentlich trichter- oder schüsselförmige Senken in Karstgebieten genannt. Sie entstehen, wenn Regen- oder Schmelzwasser das Gestein im Untergrund löst, auf diese Weise Hohlräume entstehen, deren „Decke“ dann irgendwann einstürzt.
Auf ähnliche Weise entstehen auch Eis-Dolinen. „Wenn sich im Inneren eines Gletschers Schmelzwasser ansammelt und dieses eines Tages abfließt, kann es durchaus zu solchen Einstürzen kommen. In Grönland und auf Schelfeisen an der Antarktischen Halbinsel wurden solche Trichterbildungen bereits seit den 1930er Jahren beobachtet“, sagt Olaf Eisen.
Würde sich die Dolinen-Hypothese bestätigen, würfe dies neue spannende Fragen auf. Olaf Eisen: „Um eine Doline dieser Größe hervorzurufen, bedarf es einer recht großen Menge Schmelzwasser. Es würde sich demzufolge die Frage stellen, wann und unter welchen Umständen in der Ostantarktis Schmelzprozesse dieses Ausmaßes stattgefunden haben oder noch stattfinden, und wie diese sich mit dem Klima in dieser Region vereinbaren ließen“, sagt Olaf Eisen.
Genaueres zum Ursprung der Ringstruktur werden die AWI-Wissenschaftler nach einer gründlichen Analyse der WEGAS-Messdaten wissen. Für diese Arbeit veranschlagen die Forscher mehrere Monate. Der belgische Wissenschaftler Jan Lenaerts plant derweil eine Expedition zum ungewöhnlichen Eistrichter. Angesichts der langen Vorbereitungsphasen wird diese aber frühestens im kommenden antarktischen Sommer (2015/16) stattfinden können.
Video:
Quelle: awi.de vom 19.01.2015
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