Fassadendämmung: Die dritte Zerstörung unserer Städte

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Fassadendämmungen aus Hartschaum befeuern die Nachhaltigkeitsdebatte.

Vor ein paar Jahren waren sie noch im Stadtbild zu sehen: die gesetzten Damen, die sich bei leichtem Regen auf die Straße wagten, die Dauerwelle geschützt von einem schmucken Hut und diesen eingepackt in durchsichtiges Cellophan. Sie sind ausgestorben. Dafür werden unsere Häuser verpackt mit einem Erdölprodukt, das unsichtbar bleibt und den Blick auf die schmucke Stadt kaum trübt. Es schützt die Häuser vor Witterungseinflüssen und das Klima vor den Ausdünstungen der Häuser.

(Titelfoto: Dübel schrecken Algen ab. Daher das Muster (Berlin-Tempelhof))

Sein Markenname ist Styropor, und die Dübel, mit denen die Platten an der Fassade gehalten werden, scheinen der letzte Notnagel zu sein, mit denen Deutschland seine Klimaziele erreichen möchte. Geschäumtes Polystyrol ist „unverzichtbar“ und „systemrelevant“. Was die Hersteller zum Wundermittel erklären, darf auf seine Nebenwirkungen abgeklopft werden. Altbauwohnungen, die jahrzehntelang trocken waren, drohen Schimmelflecke an den Wänden. Bei Neubauten drücken die geringeren Raumvolumina aufs Binnenklima.

Die neue Außenhaut drückt auch auf die Wand selbst. Sie ist nach außen weitgehend abgesperrt, auch und gerade dann, wenn die Styroporhülle ihrerseits abgesoffen (durchnässt) ist. Feuchtigkeitsprozesse spielen sich verstärkt in den Innenräumen ab, auf deren Wänden sich das Kondensat der Raumluft um so eher absetzt, als neu eingebaute Fenster dicht sind. Wird falsch gelüftet, bildet sich an den ausgekühlten Wandpartien erst recht Feuchte und in der Folge schwarzer Schimmel.

Der Buhmann ist schnell gefunden: der Mieter. Über die Kunst des richtigen Heizens und Lüftens sind ganze Bibliotheken vollgeschrieben worden. Widerrufe, Kehrtwendungen und Neu-Auflagen scheinen zum Fortschritt dieser Ingenieurtechnik zu gehören. Der Bewohner, der ungedämmt, im Stande der Unschuld, alles richtig gemacht hat, macht auf einmal alles falsch und wird vom Eigentümer in Regress genommen. Der Mensch wird zum Risikofaktor der Technik.

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Hier hat es gebrannt? Falsch: Hier wurde gedämmt (Berlin-Zehlendorf).

Wenn der Bewohner die überfeuchtete Raumluft durch das Fenster entweichen lässt, verursacht er ungewollt den nächsten Schaden. Das Kondensat setzt sich auf der Styropor-Fassade fest, unterstützt durch witterungsbedingte Nässebildungen an den Dämmstoffplatten selbst, deren Temperatur extremen Schwankungen unterliegt. Nun kommt es zu den blühenden Erscheinungen auf dem Außenputz, von Schwarz über Gelb nach Grün. Mehrere Dutzend Arten von Algen und Pilzen, Flechten und Moosen sind gezählt worden. Sie erscheinen spätestens, wenn die giftigen Biozide aus der Wand ausgewaschen sind.

Die Styroporplatten arbeiten durch Dehnung gegen die massive Wand und sind sehr leicht zu beschädigen. Spätestens dann nisten sich Maden, Würmer, kleine Nagetiere und Spechte ein. Sind Spechtens ausgeflogen, lassen sich Stare oder Spatzen als Nachmieter nieder. Fast ein Hoffnungszeichen: Die Natur überformt die Kultur. Die Grünen freuen sich nicht so richtig über die neuen Biotope.

Was geht unter die Haut, was geht auf keine Haut?

Schon Gottfried Semper erkannte den Zusammenhang von „Strukturgerüst und Bekleidung“. Eine schlechte Konstruktion ergibt eine schlechte Oberfläche. Im Umkehrschluss fällt die Wärmedämmung ein vernichtendes Zwangsurteil über unsere Bestandsarchitektur. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen sagte: „Ich glaube, dass der Ausgangszustand der meisten Gebäude so anspruchslos ist wie das, was nach der Sanierung dasteht.“

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Vorher: Jugendstil. Nachher: Freistil (Berlin-Pankow). 

Eine „Thermohaut“ , die ein bedingungsloses Gefälle herstellt zwischen einer luftdichten Klimabüchse und einer gefährlichen Außenwelt – der in einer umgekehrten Projektion Labilität unterstellt wird – ist schlecht. Sie wird zwangsläufig schadhaft. Die Interaktion von innen und außen ist unterbunden. Die Raumluftqualität leidet. Die Atmosphäre fehlt, die Durchdringung des Menschen mit Elementen der äußeren Natur, die sich allmählich, in einem Stoffwechsel eigener Art, herstellt.

Die Atmosphäre als Schnittstelle, als Medium herzustellen ist die Aufgabe des Architekten – die Verflüssigung der Beziehung von gebautem Raum und menschlichem Körper, die im 20. Jahrhundert im Konzept des „fließenden Raumes“ ihren Ausdruck fand. Diese Aufgabe haben Haustechniker auf ihre Weise mit dem Einsatz eines Materials übernommen, dessen Oberfläche eine allzu egalitäre Textur aufweist. Die Klopfprobe bestätigt die Eindimensionalität. Die gängige Bauphysik hat die „atmende Wand“ zur Fiktion erklärt. Damit sollen Prozesse der Durchlässigkeit und des Austausches (Diffusion, Osmose, kapillare Ausbreitung) aus der Diskussion und aus der Welt geschafft werden.

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Welch gefiederter Freund wohl in diesem Wärmedämmverbundsystem wohnt?

Aber niemand würde behaupten, dass der Mensch statt durch den Mund seine Getränke durch die Haut zu sich nimmt. Gleichwohl reagiert die gesunde Haut flexibel auf die Umwelt, indem sie deren Einflüsse aufnimmt und ihrerseits Stoffe abgibt. Nicht minder trifft das auf die zweite Haut, gute Kleidung, zu. Warum sollte nicht auch die dritte Haut, das Haus, unter diesen Gesichtspunkten errichtet und behandelt werden? Das muss sich nicht in der Diffusionsfrage erschöpfen, das können etwa auch Häuser sein, die sich im Winter auf eine innere Hülle zurückziehen. Pulsieren je nach Jahreszeit. Stattdessen errechnet das Volk der „Dichter und Dämmer“ nichts als Wärmeverluste und verstopft alle Poren und Löcher. Sigmund Freud würde schmunzeln.

Energetische Obsoleszenz, energetische Segregation

Polystyrolplatten gelten in Deutschland als schwer entflammbar. Die Einstufung hilft nicht viel, denn wenn es brennt, dann brennt es richtig. Es wirkt als Brandbeschleuniger. Die überdurchschnittlich hohe Rauchentwicklung stellt die erste Lebensgefahr für die Bewohner dar. Die traditionellen Rettungswege sind schnell versperrt, der Brandüberschlag von Zimmern auf die Fassade und zurück lässt der Feuerwehr wenig Spielraum. Brandriegel werden von den besonders heißen Flammen übersprungen. Die schwere Entflammbarkeit hilft auch nichts gegen brennende Müllcontainer, die an der Hauswand stehen oder, wie öfters geschehen, absichtlich dorthin geschoben werden.

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Dämmstoff-Fassade, gezündet von außen durch brennenden Sperrmüll. 21 Verletzte (Frankfurt-Sachsenhausen).

Das Flammschutzmittel HBCD, das den Schaumstoffplatten zugesetzt ist, wirkt in solchen Fällen nicht mehr. Es ist weltweit als „besonders besorgniserregend“ klassifiziert und wird ab August 2015 verboten, sofern nicht die Dämmlobby für Polystyrol eine Ausnahme erwirkt. An dieser Stelle sollte eine andere Nachhaltigkeitsdiskussion einsetzen. HBCD ist extrem umweltschädlich; nicht minder sind es die Fungizide und Algizide, wenn sie vom Regen aus den Fassaden ausgewaschen werden. Die Schäden an den Fassaden selbst sind inzwischen unübersehbar.

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Vorher – nachher. Kronprinzenstraße Dortmund. 

Doch es wird müßig sein, diese Schadensbilanz den Dämmstoffvermarktern vorzuhalten. In ein paar Jahren, wenn sie „bessere“ Mittel und Methoden hervorgezaubert haben, kommen sie selbst auf den Trichter. In rückwirkender Interpretation wird dann falsch geklebt und gedübelt worden sein, die Dicke des Dämm-Materials war zu gering, die Brandriegel zu wenig und die chemische Behandlung von Putz und Platten nicht umweltfreundlich genug. Und aus Styropor ist „Neopor“ geworden.

Die selbstkritische Reue fällt den Unternehmen nicht schwer, bringt sie doch Gewinn. Was der Konsumgüterindustrie recht ist, die geplante Obsoleszenz, ist der Dämmstoffindustrie billig. Allerdings wird dieses Prinzip auf Objekte angewendet, die zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten errichtet worden sind.

Die Rechnung bezahlen die Hauseigentümer und Mieter. Die Amortisationszeiten energetischer Maßnahmen übersteigen bei weitem die Lebensdauer von Dämmfassaden. Hauseigentümerverbände kommen ähnlich wie der Mieterschutzbund auf den Faktor 3. Das sind Gleichungen mit mehreren Unbekannten, nicht aber, wenn Hauseigentümer die energetische Sanierung gleich in einem Aufwasch mit einer Luxusmodernisierung durchführen und die Kosten auf die Mieter umlegen. Diese können lange auf den Ausgleich durch Heizkostenersparnis warten und werden, wenn ihre Zahlungskraft nicht ausreicht, vertrieben. Diese Variante der Gentrifizierung heißt „energetische Segregation“.

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Hauptsache innen „behagliche Wärme“. Gründerzeitportal / Berlin-Charlottenburg. 

Neu ins Blickfeld rückt eine ästhetische Segregation. Baudenkmäler können von der Energie-Einsparverordnung (EnEV) ausgenommen werden. Das sind aber nur 3 % des Bestandes, die – isoliert über die Stadt verstreut – eine Aura verströmen, die auf Herkunft deutet. Ein Stadtbild der „ausgefallenen Zähne“ entsteht, bedenkt man, was mit dem Rest geschieht, der erhaltenswürdig, aber wie die Gründerzeitbauten nicht geschützt ist. Mit den Schmuckgiebeln, Gesimsen und Ornamenten verschwinden die regionaltypischen Stadtbilder. „Plastination“ ersetzt Plastizität und Materialität. Städtebau wird nicht mehr durch Kultur und Stil definiert, sondern durch die EnEV. Die Dämmlobby verweist darauf, dass auch ungedämmte Gebäude unästhetisch sein können. Das ist die Haltet-den-Dieb-Methode: sich durch die Beschuldigung anderer entlasten.

Anschäumen gegen die Sintflut

Die kompakte europäische Stadt verwandelt sich in die Illusion vorgehängter, besser noch: aufgeklebter Fassaden. Ingenieure werkeln darin streng nach den Dogmen von Wärmedurchgangskoeffizienten, und Dekorateure kleben noch einmal Wunschprofile obendrauf, nachdem der originale Stuck zerkleinert worden ist. Die einst organisch zur Stadt zusammengewachsenen Häuser sehen dann aus wie vom Weihnachtsmarkt nicht abgeholt. Sie fangen tatsächlich an zu schwitzen. Der Schwarze Peter sollte weder der einen noch der anderen Seite zugeschoben werden. Die baukulturellen Defizite liegen in der fachlichen und praktischen Trennung von Ingenieurwissenschaften und Architektur.

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Fast 40 Mio qm Dämmstoffplatten jährlich werden verklebt. Ein Teil davon in der Mainzer Straße Saarbrücken. 

Mit der Abkehr vom Historismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Forderung aufgestellt, dass das, was funktional ist, nur dann zu einer gültigen Form wird, wenn es sich mit der Schönheit zu einem Gesetz verbindet. Struktur, Konstruktion, Tektonik und Materialität werden eins. Für das 21. Jahrhundert sei die logische Umkehrung zugelassen: Was ästhetisch ist, muss auch funktional sein. Aber der Stadtbürger ahnt es, wenn er durch die Straßen mit den knallbunt gestrichenen, x-beliebig profilierten Fassaden streift und gleich einem irregeführten Specht an die Hauswände klopft: Es sieht nach Placebo-Effekt aus, und es hört sich hohl an. Es ist „Augmented reality“, hübsch hässlich. Das innere Konzept der Häuser ist dann auch egal.

Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Jakob van Hoddis schrieb diese Zeile 1911 in seinem Gedicht „Weltende“. Dieses kam nicht, dafür der Erste Weltkrieg. Heute steigen wieder die Weltmeere. Zumindest fürchten wir es. Die Politik springt auf die Welle auf und verheißt dem verschreckten Publikum auf Rio-Konferenzen und in Kyoto-Protokollen Lösungen, wohl wissend, dass die Zyklen politischer Ankündigungen und öffentlicher Aufmerksamkeit kurzwellig sind. Ein Grundgesetz politischer Propaganda lautet: Das Versprechen, die Verheißung ist schon die emotionale Erfüllung, die Auflösung. Werden wie zur Zeit die Einsparziele gerissen, wird die Ernüchterung flugs in die Begeisterung über noch „ehrgeizigere“ Ziele in noch fernerer Zukunft überführt. Es ist Raubbau an der Zukunft.

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Von deutscher Dämmbaukunst.

Die Angst wird zum Geschäftsmodell, das ist nichts Neues. Wie jede Massenpsychose wird auch die CO2-Formel-Psychose erlahmen oder durch anderes ersetzt werden. Wenn die Zeit gekommen ist, die Styroporplatten abzuschaben und die Schäden aus stockender Feuchtigkeit und willkürlichen Eingriffen in die Fassaden zu besichtigen:

Tritt dann – nach Zweitem Weltkrieg und nach den Kahlschlagsanierungen der 60er Jahre – die dritte Zerstörung unserer Städte zutage? Davor haben Architekten schon vor Jahren gewarnt.

Soll niemand sagen, er hätte es nicht gewusst.

Quellen:Public Domain/Deutsches Institut für Stadtbaukunst/heise.de vom 01.02.2015

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2 comments on “Fassadendämmung: Die dritte Zerstörung unserer Städte

  1. Fassadendämmung… NEIN. Bei mir nicht !
    Total ungesund. Beispiel wie man an der falsche Ecke spart. Ja, manche sparen sich zur Tode… dann sollten sie lieber Plastiktüte über Kopf ziehen. Ist billiger.

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