„Rollator-Putsch“ und Reuß-Prozess: Es stinkt stark nach Farce

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In Frankfurt am Main hat am Dienstag der lang erwartete Prozess gegen den im Dezember 2022 verhafteten Heinrich XIII. Prinz Reuß und acht seiner angeblichen „Mitverschwörer“ begonnen.

Die von den Ermittlungsbehörden gesponnene Story ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Und zwar ganz unabhängig von dem Wahrheitsgehalt der Anklage.

Man muss schon über 100 Jahre im Geschichtsbuch zurückblättern, um auf den letzten und wohl auch einzigen tatsächlich ausgeführten Putschversuch in der deutschen Geschichte zu stoßen.

Vom 13. bis zum 17. März 1920 führten die Generäle Walther von Lüttwitz und Erich Ludendorff einen solchen an, während ausgerechnet der Namensgeber Wolfgang Kapp mit seiner „Nationalen Vereinigung“ in dem ganzen Geschehen nur eine Nebenrolle spielte.

Kurzfassung: 100 Stunden lang versuchte das über die Demütigung des Vertrags von Versaille und den damit verbundenen massiven Personalabbau bei der Reichswehr und den Freikorps frustrierte Militär die amtierende republikanische Regierung zu stürzen.

Eine von Auflösung bedrohte Marinebrigade verweigerte den Befehl, hohe Generäle schlossen sich ihr an und marschierten auf Berlin. Die Verschwörergruppe, der Kapp und Ludendorff angehörten, hielt sich bereit, die neue Regierung zu stellen.

Das Vorhaben scheiterte an einem von den Arbeiterparteien ausgerufenen Generalstreik, dem sich sogar Beamte anschlossen, sowie an der Neubildung einer „Roten Armee“ im Ruhrgebiet und der Drohung mit einer Neuauflage der 1919 erwürgten sozialistischen Revolution. Die Putschisten schraken vor dem drohenden Bürgerkrieg zurück und brachen den Umsturzversuch ab.  (2024: Das andere Jahrbuch – „Die kindische Inszenierung der Razzia, mit der ein ›Staatsstreich‹ verhindert werden konnte“)

Auch das hat schon einen leichten Touch des Absurden: Beide Seiten, rechts wie links, hatten reale militärische Schlagkraft. Keine von ihnen verfolgte ihr jeweiliges Vorhaben über die bloße Machtdemonstration hinaus.

Man kann es Verantwortungsbewusstsein nennen. Ein berühmter Russe mit dem Decknamen Lenin würde spotten: „Die Bahnsteigkarten waren ausverkauft“.

104 Jahre später will uns die Generalbundesanswaltschaft allen Ernstes weis machen, dass eine Gruppe von 27 oder 28 betagten Männern und Frauen, darunter – ohne geht es in unseren Zeiten nicht – eine Russin, einen Putsch plante. Die Verspottung des Ganzen als „Rollator-Putsch“ und „Graue Armee Fraktion“ beschreibt es perfekt.

Keine einzige Brigade, kein einziges Regiment, ja nicht einmal einen Zug befehligten die „Verschwörer“. Womit es der erste Putsch in der Weltgeschichte wäre, der ohne aktives Militär auskommen wollte.

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Ludendorff schlägt sich im Jenseits auf die Stirn, Oberst Papadopoulos rotiert im Grab und Augusto Pinochet lacht sich nur deshalb nicht zu Tode, weil er schon tot ist…

Die Informationen aus dem Ermittlungsverfahren gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß und seine „Mitverschwörer“, das mehr als zwei Jahre lang lief, sind spärlich. Wir wissen bis heute nicht, was die Bundesanwaltschaft tatsächlich gegen die 27 Angeklagten in der Hand hat.

Der deutsche Investigativjournalismus ist offenbar mit dem Ausspähen der AfD zu beschäftigt, als dass er den Ermittlern auf die Finger schauen würde. Und das, was die Bundesanwaltschaft selbst verlautbaren lässt, erscheint bei genauerem Hinsehen als offensichtlich an den Haaren herbeigezogen.

Da heißt es in der Pressemitteilung der Behörde vom 12. Dezember vergangenen Jahres, die aus Anlass der Anklageerhebung herausgegeben wurde, beispielsweise:

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„Zugleich setzte die Vereinigung verstärkt auf den Aufbau bundesweiter, flächendeckend operierender bewaffneter Kräfte. (…) Während die „Allianz“ dann einen ersten Angriff auf die obersten staatlichen Institutionen ausführen sollte, wollte die Vereinigung anschließend in Eigeninitiative die Beseitigung der verbliebenen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene übernehmen.“

Ach wirklich? „Bundesweite, flächendeckend operierende bewaffnete Kräfte“, die in allen deutschen Ländern, Kreisen und Kommunen die „verbliebenen Institutionen“ beseitigen würden?

Warum haben wir dann Anklagen „nur“ gegen 27 Rentner und Pensionäre? Wo sind die aktiven Offiziere der Bundeswehr, der Bundespolizei und der Landespolizeien, die sich mitverschworen haben und für das „bundesweite, flächendeckende“ in Hunderten von Landkreisen und Kommunen gesorgt hätten?

Welche konkreten Verbände hätten die „Verschwörer“ denn in Bewegung gesetzt, so wie seinerzeit Kapp und Ludendorff? Muss man davon ausgehen, dass der Umsturz immer noch droht, weil die Tausenden Putschisten in allen Teilen Deutschlands immer noch aktiv sind?

Oder lügt die Bundesanwaltschaft den Gerichten und uns die Taschen voll?

Bei der erwähnten „Allianz“ handelt es sich übrigens um eine imaginäre Weltverschwörung, die nichts anderes zu tun hat, als Deutschlands Souveränität wiederherzustellen. Klar doch.

„Ab Sommer 2021 traf die Gruppierung für den Umsturz und die anschließende Absicherung der Macht zahlreiche konkrete Vorbereitungen.“

Welche? Wurden bundesweit Waffenlager ausgehoben, mit denen sich die Verschwörer bewaffnet hätten?

Natürlich darf auch Russland nicht fehlen, wenn es um böse Machenschaften geht:

„Darüber hinaus wurde er im Juni 2022 im russischen Generalkonsulat in Leipzig vorstellig. Wie die Russische Föderation auf das Anliegen reagiert hat, ließ sich bislang nicht aufklären.“

Ich kann sagen wie: Herzlich gelacht hat die „Russische Föderation“ über die neueste Anekdote. Wenn es überhaupt stimmt, dass der Prinz da beim traditionellen Empfang zum russischen Nationalfeiertag mehr gemacht hat als alkoholische Getränke zu konsumieren. Nicht ausgeschlossen leider, dass noch etwas im Sinne des russophoben Zeitgeistes konstruiert und nachgeschoben wird.

Wo die Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft konkret wird, offenbart sich ein putsch-technisches Trauerspiel:

„Die Vereinigung verfügte über finanzielle Mittel in Höhe von etwa 500.000 Euro. Sie hatte Zugriff auf ein massives Waffenarsenal, bestehend aus insgesamt rund 380 Schusswaffen, beinahe 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffen- sowie mindestens 148.000 Munitionsteilen. Vereinigungsmitglieder schafften zudem eine Vielzahl sonstiger militärischer Ausrüstung an, darunter ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln.“

380 Schusswaffen reichen, um die Macht in Deutschland zu übernehmen? Und zwar „bundesweit und flächendeckend“? Wenn es so leicht geht, dann steht der Weltrevolution nun wirklich nichts außer der zwischenzeitlich erfolgten Abschaffung von Bahnsteigkarten im Wege.

Und: wenn ein Arsenal aus 380 Waffen „massiv“ ist, was ist dann jede Waffenkammer jeder Bundeswehrkompanie? „Gigantisch“?

Es spricht viel dafür, dass der Ermittler- und Justizapparat hier bestenfalls mit Spinnereien, mit theoretischen Planspielen von Wichtigtuern beschäftigt wird. Grob gesagt: mit Gedankenverbrechen, die in einer Realität gewordenen Antiutopie aus der Feder von George Orwell, nicht aber in einem Rechtsstaat strafbar sind.

Bestenfalls kann man davon reden, dass es da abstruse Hirngespinste der heutigen Angeklagten gegeben hat, dass aber reale Putschvorbereitungen in die Phase des Strafbaren getreten sind, ist abwegig.

Mit derselben Berechtigung kann man jeden alkoholisierten Stammtisch verhaften, der je nach Gesinnung Ministerposten in der „künftigen Reichsregierung“ oder im „Rat der revolutionären Volkskommissare“ unter sich aufgeteilt hat.

Ich weiß nur nicht, was peinlicher wäre: Wenn es die „Planungen“ der „Rollator-Putschisten“ in dieser Form tatsächlich gegeben hätte oder wenn – und danach sieht es im Moment eher aus – gleich drei oberste Ländergerichte mit hohem und kostspieligen Aufwand über Gedankenverbrechen einer Phantastengruppe prozessieren.

So oder so: Wir erleben eine Farce.

Es ist nur deshalb nicht zum Lachen, weil die Untersuchungshaft, in der 27 Menschen darben, überaus real ist.

Denn im März 2024 ist ein Angeklagter verstorben:

Ein 72 Jahre alter Angeklagter aus der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß ist vor Prozessbeginn gestorben.

„Norbert G. ist kürzlich in der Klinik verstorben“, teilte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Frankfurt, an dem der Prozess gegen den Mann bald beginnen sollte, mit. G. sei am 7.Dezember 2022 festgenommen aber seit Anfang Januar 2024 von der Haft verschont worden. Der Mann war zuletzt schwer krank.

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Quellen: PublicDomain/de.rt.com am 22.05.2024

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3 comments on “„Rollator-Putsch“ und Reuß-Prozess: Es stinkt stark nach Farce

  1. Interessant ist, dass der Antrag auf Videomitschnitt vom Richter abgelehnt wurde. Warum? Hat der BRD Staat Angst das die Rentnergang etwas sagen können, was die dumme Bevölkerung nicht hören soll? Das ganz ist ein lächerlicher Schauprozess.

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