Korruption: Alles wie geschmiert

Teile die Wahrheit!

korruption-deutschland-bundestag

Was tun gegen Abgeordnetenbestechung? Der Bundestag hat sich zu einem Gesetz aufgerafft – es ist viel zu lasch. Doch selbst NGOs fordern zu wenig.

Wenn Politiker von Meilensteinen sprechen, wollen sie damit oft ihre Trippelschritte als Sprint verkaufen. Bei Nichtregierungsorganisationen ist das anders. Sie sind oft zurückhaltend, ihre Forderungen gehen nämlich sehr weit. Aber nun spricht selbst Transparency International von einem „großen Meilenstein in der Korruptions-bekämpfung“. Die Bundesrepublik will endlich die entsprechende UN-Konvention ratifizieren, das Schmieren von Entscheidungsträgern soll aufhören. In dieser Woche steht der Vertrag auf der Tagesordnung des Bundestags.

Die deutschen Politiker werden sich dann brüsten: Seht her, wir tun etwas! Dabei wäre Demut angesagt. Zum einen hat es mehr als zehn Jahre gedauert, die Voraussetzungen zu schaffen und das deutsche Gesetz zur Abgeordnetenbestechung zu verschärfen. Zum anderen erweisen sich selbst die neuen Regeln im Gesetz als windelweich. Korruption lässt sich weiterhin prima verheimlichen, und die Ermittler werden auch künftig im Dunkeln stochern. Aber niemand wagt es, den Geldtransfer an Abgeordnete komplett zu verbieten. Ausgenommen wären selbstverständlich die Diäten. Aber selbst Organisationen wie Transparency und Lobbycontrol scheuen sich vor solchen Forderungen, die eigentlich nur konsequent wären.

Zumindest dürfte sich bald der Ruf der Bundesrepublik etwas bessern. Ausgerechnet das korrekte Deutschland hat die UN-Konvention jahrelang nicht ratifiziert und gehört damit inzwischen zu den Schlusslichtern. Bereits 172 Länder – unter anderem alle europäischen – haben das Abkommen umgesetzt, die meisten schon vor Jahren. Nur der Bundestag hat es nicht geschafft, die deutschen Gesetze anzupassen. „Das lag vor allem an großen Widerständen in der Union, aber auch in Teilen der SPD“, sagt Timo Lange vom Verein Lobbycontrol. „Viele Abgeordnete hatten Angst, schneller vom Vorwurf der Korruption betroffen zu sein.“

Das Nachweis-Problem

Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Gesetz zur Abgeordnetenbestechung, das von allen Fraktionen beschlossen wurde und Anfang des Monats in Kraft trat, äußerst lasch ausgefallen ist. Es ist ohnehin schon schwer genug, einen Politiker der Bestechlichkeit zu überführen. Aber der Gesetzestext macht es besonders kompliziert. Zum einen müssen Gelder oder andere Vorteile eine Gegenleistung für das Handeln des Politikers darstellen. Zum anderen muss der Politiker „im Auftrag oder auf Weisung“ handeln.

Vor allem diese fünf Wörter haben es in sich. Der Auftrag oder die Weisung muss wegen der Nennung im Gesetz nämlich auch nachgewiesen werden. „Problematisch ist hierbei der hohe Ermittlungsaufwand“, sagt Frank Tempel. Er sitzt für die Linke im Bundestag und war zuvor selbst bei der Polizei. Die Bestechung müsse „schriftlich fixiert oder glaubwürdig durch einen Augenzeugen belegt sein“, ansonsten habe die Polizei kaum eine Chance, sagt er. Der ehemalige hessische Generalstaatsanwalt Hans Christoph Schaefer bezeichnete die neuen Regeln im ARD-Magazin Panorama gar als „nicht anwendbar“. „Bei der eigentlichen Strafverfolgung wird diese Vorschrift nicht helfen.“

Video:

Timo Lange von Lobbycontrol hält die „Wirkung des Gesetzes in der Praxis“ ebenfalls für „zweifelhaft“. Er sieht aber auch einige Fortschritte gegenüber dem alten Paragrafen: Bisher war es Abgeordneten lediglich verboten, sich für ein bestimmtes Abstimmungs-verhalten im Bundestag bezahlen zu lassen. Jetzt werden sämtliche Handlungen erfasst: Auch wer für Geld beispielsweise einen Gesetzentwurf beeinflusst, ein Positionspapier der Fraktion verfasst oder ein Unternehmen in einem Interview nennt, kann bestraft werden.

Muss also bloß nachgebessert werden? Selbst wenn der „Auftrag“ und die „Weisung“ aus dem Gesetzestext verschwinden, wie es etwa Grüne und Linke fordern, bleibt das grundsätzliche Problem: Es ist nahezu unmöglich nachzuweisen, dass der Vorteil für den Abgeordneten eine direkte Gegenleistung darstellt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Geldtransfer und politischem Handeln.

Oft dürfte es bloß eine Vereinbarung sein, die nie offen ausgesprochen wurde: Ein Unternehmen überweist Geld, der Abgeordnete setzt sich für das Unternehmen ein. Genaueres ist nicht geregelt, eine Verurteilung vor Gericht unmöglich. Vielleicht ist den Beteiligten auch gar kein Zusammenhang zwischen Geld und Handeln bewusst, es bleibt dann trotzdem ein Problem. Es gibt etwa Abgeordnete, die aus tiefer Überzeugung eine wirtschaftsfreundliche Politik machen. Von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden werden sie oft zu Reisen eingeladen, beschenkt und mit Spenden bedacht. Andere Abgeordnete gehen leer aus und haben es beispielsweise im Wahlkampf schwieriger.

300x250

Die Grenze zwischen verbotener Korruption und erlaubtem Lobbyismus ist schwer zu ziehen, das zeigt die Diskussion über den Gesetzestext. Wer unerwünschte Einflussnahme verhindern will, sollte daher konsequent sein: Geldtransfers an Abgeordnete sollten generell verboten werden. Das heißt: keine Geschenke, keine Spenden, aber auch keine bezahlten Nebentätigkeiten der Politiker. Dies ist schon deswegen nötig, weil sonst das Schlupfloch im neuen Gesetz zum Scheunentor wird. Dort ist festgelegt: Wenn die Annahme eines Vorteils in anderen Gesetzen oder Vorschriften erlaubt ist, dann wird sie durch dieses Gesetz auch nicht verboten.

Wer heute einen Politiker schmieren will, kann ihm problemlos Geld spenden. Solange keine Gegenleistung verlangt wird, ist das ganz legal. Erst ab 5.000 Euro muss eine Spende beim Bundestagspräsidenten angezeigt, ab 10.000 Euro auf der Webseite des Parlaments veröffentlicht werden. „Eine Bestechung lässt sich so leicht als Spende kaschieren“, sagt Christian Humborg, Geschäftsführer der deutschen Sektion von Transparency. Er fordert ein Verbot von Spenden an einzelne Abgeordnete, schließlich könnten Geldgeber stattdessen die jeweiligen Parteien finanziell unterstützen. Für fraktionslose Parlamentarier seien Ausnahmen vorstellbar, sagt Humborg.

Die Politiker sträuben sich

Es gibt jedoch eine weitere Möglichkeit, Politiker zu bezahlen – durch lukrative Neben-tätigkeiten in Aufsichtsräten von Unternehmen zum Beispiel oder durch Vergabe von Aufträgen an die Anwaltskanzlei des Abgeordneten. Das kann sich durchaus lohnen, wie man am Beispiel des CSU-Politikers Peter Gauweiler sehen kann. Schon nach wenigen Monaten im neuen Bundestag hatte er laut abgeordnetenwatch.de rund eine Million Euro verdient.

300x250 boxone

Inzwischen gibt es zwar etwas Transparenz, die Höhe der Einkünfte wird in einem Zehn-Stufen-System veröffentlicht. Geboten wäre jedoch das komplette Verbot von Neben-einkünften. Doch dagegen sträuben sich die Politiker – und selbst die NGOs trauen sich nicht an solche Forderungen. „Ich halte es für angemessen, dass bestimmte Abgeordnete auch Nebeneinkünfte haben dürfen – etwa wenn sie einen Familienbetrieb weiterführen“, sagt Transparency-Geschäftsführer Humborg. „Das Problem ist, dass andere Politiker das ausnutzen und sich zum Beispiel für Vorträge bezahlen lassen, die eigentlich zu ihrem Abgeordnetenjob gehören.“ Auch Lobbycontrol will lediglich die Nebentätigkeiten verbieten, in denen Lobbyismus betrieben wird.

Dabei gibt es keinen guten Grund gegen ein generelles Verbot. Wer eine Anwaltskanzlei oder einen Familienbetrieb am Laufen halten will, damit er nach seiner Zeit im Bundestag dorthin zurückkehren kann, darf dort gerne arbeiten – ehrenamtlich. Das Einkommen der Abgeordneten ist doch hoch genug. Warum sollten die Nebentätigen mehr bekommen als all die anderen, die rund um die Uhr als Volksvertreter arbeiten?

Genau genommen geht es nicht um ein Verbot von Nebentätigkeiten, sondern von Neben-einkünften. Dagegen dürfte auch ein Bundesverfassungsgericht nichts einzuwenden haben. Ein Berufsverbot sieht schließlich anders aus. Und selbst wenn einzelne Abge-ordnete nach Karlsruhe zögen und die Regel am Ende gekippt würde: Dann hätte es das Parlament immerhin versucht. Und die Bürger wüssten, welche Abgeordneten sich unbedingt von Unternehmen bezahlen lassen möchten.

Quelle: freitag.de vom 25.09.2014

Weitere Artikel:

Nichtregierungsorganisationen als Regierungsmarionetten

Globalisierung begünstigt Korruption und Bestechung

Verdecktes Lobbying: 28 große US-Denkfabriken von 64 Regierungen subventioniert

Ecuador: Weggang der Konrad-Adenauer-Stiftung nach politischer Einflussnahme

Korruptionsverdacht: 2000 Juristen sollen Examen gekauft haben

Bonzen-Brosche

Regierung blockiert vorsätzlich Kampf gegen Abgeordneten-Bestechung

Rüstungsindustrie und Schwarzmarkt: „Deutsche zählen zu Korruptesten“

Rechtsstaat wird zerfressen

EU-Kommission schmettert Bürgerinitiative gegen TTIP ab

Der geplünderte Staat: Geheime Geschäfte von Politik und Wirtschaft (Video)

Justiz & Medien mit post-kafkaesken Zügen – Zum Selbstzweck funktionierendes, sinnloses System

Ohne Korruption und Bestechung geht in Europa so gut wie nichts

Korruption in der Türkei: Erdogan bestätigt Echtheit von zwei Telefonmitschnitten

Politiker: Image ist schlechter als das von Prostituierten

Die korrupte Republik (Videos)

Umfrage: Mehr Deutsche finden Behörden und Medien korrupt – Russen sehen Korruption als Problem

Steuerfahnder-Affäre: Neues aus der Anstalt Hessen

Politiker – Marionetten der Geheimdienste

Weltbank-Insider packt aus über Korruption und die Federal Reserve

Untertanen 2.0 – Ziemlicher Mist

Paranoia-Affäre: Wie der Staat unbequeme Steuerfahnder kaltstellt

Jetzt kämpft er um 8200 Euro Pension – EU-Beamter hortete über 4500 Kinderpornos

EU-Kommissare versorgen sich auf Kosten der Steuerzahler

Was Putin verschweigt, sagt sein Berater: Deutschland steht unter US-Okkupation (Video)

Amerikas Vasallen: In Deutschland gilt auch US-Recht

About aikos2309

One thought on “Korruption: Alles wie geschmiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert