Ohne zentrale Steuerung, aber umso effektiver – so funktioniert in westlichen Gesellschaften die Manipulation der Bevölkerung im Interesse der herrschenden Kreise. Das beschreibt der Schweizer Psychologe Mark Galliker. Er erklärt die Mechanismen und warum es schwer ist, diesen zu widerstehen.
Die etablierten westlichen Medien beteiligen sich an der psychologischen Kriegsvorbereitung. „Ich glaube, das ist interessengebunden“, so der Psychologe Mark Galliker.
„Da werden Journalisten ausgewählt, die auch so denken wie die herrschende Meinung ist. Die Meinung der Herrschenden ist immer die herrschende Meinung.“ Das geschehe nicht bewusst, aber sei bedingt durch die Medien- und Markt-Mechanismen in den westlichen Ländern.
Dazu würden auch sogenannte Pressuregroups und Denkfabriken beitragen, in denen Wissenschaftler und Journalisten mitwirken. „Das ist möglicherweise noch drastischer als in einer Diktatur, wo explizit von oben gesagt wird: Wir müssen das so machen, anders geht es nicht!“
Dieser unbewusst wirkende Mechanismus in den vermeintlich freiheitlichen westlichen Staaten gehört für Galliker zur psychologischen Kriegsvorbereitung.
„Gesellschaftliche Unbewußtheit wird heute durch Medien, Wissenschaft und Schulen tagtäglich ausgeprägt. Die meisten Menschen wissen nicht, dass wir in einem imperialen System leben, in dem die Politik der Monopole bestimmend ist, welche die Marktgesetze weitgehend außer Kraft gesetzt haben. Dieses System hat verheerende Auswirkungen auf viele Länder der südlichen Hemisphäre.“
Galliker verwies dabei auf das Beispiel, dass bei von der Weltbank finanzierten Infrastrukturprojekten in Afrika Armutsvierteil zum Teil ohne Vorwarnung niedergewalzt sowie Bewohner zwangsweise umgesiedelt oder obdachlos gemacht werden.
In den Jahren von 2005 bis 2015 hätten zum Beispiel Meldungen zufolge rund 3,4 Millionen Menschen in mehr als 900 Weltbank-Projekten ihr Land oder einen Teil ihrer Lebensgrundlage verloren (Die Märchen der Mainstream-Medien).
Einseitige Darstellungen
Wie Kriege psychologisch vorbereitet werden war das Thema eines Vortrages, den der Schweizer Psychologe Anfang März in Berlin hielt. Er sprach auf dem viertägigen Jahreskongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP), der dem Thema „Krieg nach innen – Krieg nach außen“ gewidmet war. Galliker hat als Psychologe und Psychotherapeut geforscht und gearbeitet sowie zahlreiche Bücher veröffentlicht.
Er sehe täglich in den deutschsprachigen Zeitungen, wie einseitig Konflikte und Kriege dargestellt werden. Im Gespräch mit Sputnik verwies er insbesondere auf die Erkenntnisse des US-Linguisten Noam Chomsky. Dieser habe analysiert, wie US-Medien bei Kriegen und Massakern zumeist nur über die gegnerische Seite berichten, nicht darüber, wie die eigenen Militärs vorgehen.
Das Grundprinzip hätten Forschungen deutscher und Schweizer Psychologen bestätigt, die innergesellschaftliche Konflikte wie die um Einwanderung und deren mediale Darstellung untersuchten. Die andere Seite, hier die Einwanderer, würde vor allem als gefährlich und kriminell dargestellt.
„Wir haben eine systematische Diskriminierung und Delegitimierung von Minderheiten festgestellt, damit man die Probleme im Großen gar nicht sehen muss.“
Verschwiegene Wahrheiten
Dieses Sündenbock-Prinzip komme gerade gegen jene, die zu den Opfern der wirtschaftlichen Expansion der Monopole und der militärischen Interventionen gehören, zum Einsatz. Es werde aktuell wieder gegenüber Russland angewendet, stellte Galliker fest.
Ausgehend von Chomskys Prinzipien zeige sich, dass beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin jeweils ganz anders dargestellt würden. „Dabei ist das primitivste wissenschaftliche Prinzip, dass man an beide mit den gleichen Maßstäben herangehen würde. Es ist leicht empirisch zu zeigen, dass das aber überhaupt nicht der Fall ist.“ (Trump, Orban, Salvini – alles »böse Populisten«? Wie die Mainstream-Medien die öffentliche Debatte blockieren)
Das gelte nicht nur für Personen, hob der Psychologe hervor. So werde für die eigene westliche Seite nie von Oligarchien gesprochen, „obwohl das Kapital hier noch viel konzentrierter ist als an anderen Orten“. Galliker nannte als Beispiel, dass die Zeitungen in der Bundesrepublik in den Händen einzelner Milliardäre sind. „Doch da wird nie von Oligarchie gesprochen. Von der Waffen-Industrie oder der Auto-Industrie gar nicht zu reden.“
Die entsprechenden Mechanismen und Filter in den westlichen Gesellschaften würden nur ganz bestimmte Meinungen innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zulassen. In diesen würden Begriffe wie „Kapital“, „Imperialismus“ oder „Klassengesellschaft“ nicht reinpassen.
Das nannte der Sozialwissenschaftler als Beispiel für die sogenannten Qualitätsmedien, obwohl diese Wörter treffende Bezeichnungen für die gesellschaftlichen Zustände seien (Fake News-Produzenten Springer, Burda, Funke & Co erklären sich selbst zur „Wahrheitspresse“).
Verschwundener Gegenpart
Wer als Journalist oder Wissenschaftler solche Begriffe verwende, der werde zum Beispiel ausgeschlossen, wenn Stellen neu besetzt werden, oder steige nicht auf. „Das sind die Filtermechanismen, die es da gibt. Das habe ich auch in der Wissenschaft gesehen.“
Das sei seit dem Ende des Kalten Krieges besonders deutlich geworden, als die Gegenseite verschwand, die in der Systemkonkurrenz immer eine Rolle gespielt habe. Durch diese sei in westlichen Staaten linke Wissenschaft möglich gewesen.
In den westlichen Gesellschaften werde nun alles abgebaut, was dank des Systemwettbewerbs an Freiheiten möglich war, so der Psychologe. „Wir haben von der Sowjetunion profitiert, hier. Ich hätte in meiner Jugend nicht in der Sowjetunion leben wollen. Aber wir haben davon profitiert.“
Er fügte hinzu: „Jetzt ist das weg. Jetzt muss man keine Rücksicht mehr nehmen.“ Für Galliker befindet sich derzeit das Kapital in großen Schwierigkeiten. Mit der „Annexion der DDR“, wie er es bewusst bezeichnet, sowie der Übernahme der anderen ehemals sozialistischen Länder seien neue Absatzmärkte erobert worden.
„Aber das ist nun vorbei. Jetzt haben sie Angst vor China und vor Russland. Die haben wahnsinnige Angst, diejenigen, die das Geld in den Händen haben und alles steuern können.“
Mächtige Mechanismen
Die Frage, warum massenpsychologische Kriegsvorbereitung und —führung immer noch so erfolgreich ist, ist für Galliker – der in der Schweiz und in der Bundesrepublik geforscht und gelehrt hat – die entscheidende Frage. Aus seiner Sicht werden dabei grundlegende psychische Mechanismen ausgenutzt, die zu allen Zeiten wirken. Dazu gehöre das Prinzip, eine Aussage so lange zu wiederholen, bis sie geglaubt wird.
Galliker sagte, es gebe verschiedene Thesen, warum die fortgesetzte Manipulation weiter wirkt. „Die einfachste ist die Distraktions-These. Das bedeutet, dass so lange es geht, die Leute zerstreut werden.“ Das erfolge vor allem über die medialen Angebote zur Unterhaltung wie Fußball, die von dem ablenken, was in derselben Zeit die Politik entscheidet oder betreibt.
Weitere Erklärungsmuster bieten laut dem Psychologen die Angst-These und die Theorie von der Themensetzung, das Agenda-Setting. Nach letzterer werden nur bestimmte Themen und Sachverhalte ausgewählt und behandelt, die in der öffentlichen Debatte gewünscht sind. Hinzu komme die Framing-Theorie, nach der bestimmte bekannte Begriffe und Vorstellungen in den Köpfen genutzt werden, um Botschaften zu vermitteln.
Gezielte Ablenkung
Er habe früher nie verstanden, wie zum Beispiel die US-Amerikaner leben, ohne sich dafür zu interessieren, was in ihrem Namen in der Welt geschieht, so Galliker. Doch heute erlebe er selbst in seinem linksliberalen Umfeld, eine große Ahnungslosigkeit in Bezug auf das Weltgeschehen.
Er glaube nicht, dass das bewusst und zentral gesteuert wird. „Das sind die verschiedenen Einflüsse. Das beginnt beim Fußball, dass jetzt mehrmals Fußball gesendet wird, von Freitag bis Montag. Da sind schon viele Deutsche damit beschäftigt.“
Für den Psychologen sind aktuelle Beispiele für psychologische Kriegsvorbereitung, wie Russland und dessen Politik dargestellt wird, ebenso wie über die Vorgänge in und um Venezuela berichtet wird. Zu Letzterem habe beispielsweise die „Bild“-Zeitung berichtet, dass die Regierung in Caracas keine Hilfsgüter ins Land lasse.
Dabei werde weggelassen, dass die westlichen Sanktionen verhindern, dass medizinische Güter nach Venezuela geliefert werden können und das Land nicht auf seine Gelder zugreifen kann. Wer nur „Bild“ lese oder die „Tagesschau“ sehe, erfahre nichts darüber.
Die psychologische Kriegsvorbereitung ist für Galliker nur die Begleiterscheinung der realen Aufrüstung. „Bei allen großen Kriegen bisher wurde ähnlich vorgegangen wie heute gegen Russland“, erinnerte er im Gespräch. „Der Gegner wurde immer völlig abgewertet. Das Gute ist nur bei uns und das Schlechte ist nur bei den anderen. Wir sind natürlich für Menschenrechte, für Freiheit, aber die Russen sowieso nicht, die werden ja unterdrückt.“
Notwendiger Austausch
Die dezentralen Steuerungsmechanismen auf westlicher Seite seien viel schwerer greifbar und somit auch schwerer zu kritisieren, meinte der Psychologe. „Heute sind es alles nur sogenannte Sachzwänge. Wenn man ‚Das Kapital‘ nicht gelesen hat und nichts vom Fetisch-Charakter der Ware weiß, meint man, man ist frei. Aber diese Kräfte sind viel stärker als wenn jemand von oben diktiert.“
Das Problem der heutigen psychologischen Kriegsführung sei, dass niemand die dahinterstehenden ökonomischen Kräfte durchschaue. „Wenn jemand auch etwas von Ökonomie versteht, kann er damit umgehen.“ Hinzu komme, dass Psychologen mit diesen Kräften zusammenarbeiten und sich prostituieren, kritisierte der Forscher die eigene Zunft (Die deutschen Medien im Griff dieser drei Familien).
Er erinnerte daran, dass beispielsweise US-Psychologen sich an den CIA-Folterpraktiken beteiligten. „Das haben früher die DDR und die Sowjetunion auch schon behauptet. Da wurde gesagt, das stimmt nicht. Aber jetzt wird es durch Dokumente bestätigt, die zeigen, dass die Psychologen voll einbezogen sind.“
Auch im medialen Bereich seien sie an der Kriegsvorbereitung beteiligt, betonte der Wissenschaftler. „Die Psychologen machen immer mit, wenn es gilt, im Sinne des Kapitals die kriegerischen Interventionen der USA zu unterstützen.“
Die notwendige Aufklärung der Menschen über die Machtmechanismen und ihre Manipulation gelinge nicht durch einzelne Intellektuelle, die selber isoliert sind, meinte Galliker. „Das kann nur durch eine neue Friedensbewegung geschehen.
Daran müssten sich die Wissenschaftler, auch die Psychologen, aktiv beteiligen.“ Letztere müssten sich dazu wieder mit anderen gesellschaftlichen Kräften wie den Gewerkschaften verbinden, sich mit diesen austauschen und sich einbringen.
Literatur:
Propaganda als Machtinstrument: Fakten, Fakes und Strategien. Eine Gebrauchsanleitung
Bewußtseins- und Gedankenkontrolle
Die Macht um acht: Der Faktor Tagesschau (Neue Kleine Bibliothek)
Die Gefallsüchtigen: Gegen Konformismus in den Medien und Populismus in der Politik
Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com am 02.04.2019